Rede zur Eröffnung des Internationalen Zentrums der Frankfurter Buchmesse

Gehalten von Gernot Erler am 10. Oktober 2007

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

Es ist für mich eine große Freude, auch in diesem Jahr wieder das Internationale Zentrum zu eröffnen. Die Frankfurter Buchmesse ist ja nicht nur der größte Börsenplatz für Bücher und die bedeutendste Medienmesse der Welt, sie ist auch ein Ort des kulturpolitischen Dialoges. Zu diesem Dialog leistet das Internationale Zentrum einen großen Beitrag. Ein Blick in das Programm zeigt die breite Themenvielfalt, die in den nächste Tagen hier behandelt wird.

 

Es war dem Auswärtigen Amt ein Anliegen, die seit 5 Jahren bestehende Partnerschaft mit dem Internationalen Zentrum der Frankfurter Buchmesse fortzusetzen und gemeinsam mit vielen Mittlerorganisationen und dem Übersetzerzentrum diese Veranstaltungsplattform zu organisieren. Es versprechen spannende und produktive Tage zu werden. Dafür möchte ich schon jetzt ein herzliches Dankeschön an Herrn Ripken und sein Team von der Buchmesse richten, aber auch allen anderen, ohne deren tatkräftige Hilfe das nicht möglich gewesen wäre.

 

Ich danke auch unseren Mittlerorganisationen, dem Goethe-Institut, dem Institut für Auslandsbeziehungen, dem Deutschen Akademischen Austauschdienst, dem Deutschen Archäologischen Institut und den vielen anderen, dass sie sich hier präsentieren und über ihre Aufgaben und Arbeit im Rahmen der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik informieren und diskutieren. Uns eint die gemeinsame Überzeugung, dass die Literatur einen hohen Stellenwert in der Entwicklung einer Gesellschaft und im Dialog der Kulturen einnimmt.

 

In diesem Jahr ist der Ehrengast der Frankfurter Buchmesse nicht ein Land, sondern die Region Katalonien, oder präziser gesagt, die katalanische Kultur und Sprache. Die katalanische Kultur und Sprache sind Ausdruck einer kulturellen Identität der  Katalanen, die sich über lange Jahre der Unterdrückung hinweg behauptet hat und heute im demokratischen Spanien eine neue Blüte erlebt. Die Präsentation der katalanischen Kultur auf dieser internationalen Messe ist auch ein politisches Plädoyer für den Erhalt der kulturellen und sprachlichen Vielfalt in einer sich globalisierenden und ökonomisierenden Welt!

 

Es ist politische Weitsicht und auch Ausdruck kultureller Pluralität der Frankfurter Buchmesse, wenn das Internationale Zentrum in diesem Jahr einen anderen regionalen Schwerpunkt setzt und Afrika in sein Zentrum rückt. Das beginnt gleich im Anschluss mit den musikalisch-poetischen Grenzüberschreitungen der Performance-Dichterin Lebogang Mashile und setzt sich am kommenden Samstag mit dem Afrika-Tag fort. Der Afrika-Tag soll auch gleichzeitig der Auftakt des Projekts Afrika des Verbandes Deutscher Schriftsteller darstellen.

 

Gerade die Veranstaltungen des IZ am kommenden Samstag, die den Bogen spannen vom traditionellen Geschichtenerzählen bis hin zu den Problemen der Gegenwart, von den Auswirkungen des Genozids in Ruanda auf die Literatur bis zur politischen Verfolgung von Autoren, von Leid und der Lebensfreude der Afrikaner, lassen interessante und kontroverse Gespräche erwarten. Sie weiten unseren Blick auf diesen Kontinent und daher freuen wir uns auf die Begegnung mit Autoren und Künstlern aus Afrika.

 

Der Afrika-Schwerpunkt zeugt von einer neuen Hinwendung zu Afrika und neuem Interesse, auch der deutschen Gesellschaft, zu unserem Nachbarkontinent. Ich begrüße das sehr nachdrücklich, denn lange, viel zu lange, prägte Unkenntnis die Haltung Europas zu Afrika. In der 2.  Hälfte des 20. Jahrhunderts galt Afrika vielfach als Synonym für Bürgerkrieg, Hunger, Korruption und Seuchen wie in Joseph Conrads „Herz der Finsternis" oder in Célines „Reise ans Ende der Nacht".

Die Beiträge Afrikas zur kulturellen Vielfalt der Welt, in der Musik und im Tanz, sind zwar seit langem bekannt und hoch geschätzt, aber wir müssen der Tendenz entgegenwirken, das, was Afrika der Welt zu bieten hat, auf die Bereiche Musik und Tanz zu reduzieren. Gerade in der aktuellen Literatur gibt es viele junge Talente und sehr interessante Entwicklungen, die wir unterstützen müssen.

Leider sind viele Autoren gezwungen, aus politischen Gründen aus dem Exil über ihr Land und seine Gesellschaft zu schreiben. Deshalb möchte ich auch von dieser Stelle aus einen nachdrücklichen Appell an alle politisch Verantwortlichen auf diesem Kontinent richten und daran erinnern, dass kulturelle Entfaltung, die Entwicklung der Kreativität, die Meinungsfreiheit zur unabdingbaren Voraussetzung hat! Ein altes afrikanisches Sprichwort sagt: „Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt. Lasst diese Gärten blühen!"

 

Seit einigen Jahren wird von einer afrikanischen Renaissance gesprochen, einem Wiederaufleben eigener Wert und Selbstbewusstseins und afrikanischer Verantwortung für das eigene Schicksal. Die Bereitschaft ist gewachsen, das eigene Schicksal, das Schicksal des eigenen Landes und Kontinents, in die eigenen Hände zu  nehmen, aber auch die Bereitschaft, für Fehler gerade zu stehen. Dies zeigt, dass wir unsere Perzeption von Afrika überdenken müssen, dass wir unseren Umgang mit Afrika neu erlernen müssen.

 

Diese Eigenverantwortung Afrikas, die African Ownership, steht im Mittelpunkt des neuen politischen Diskurses mit unserem Nachbarkontinent. Wenn wir uns im Rahmen der Umsetzung der Millenium Development Goals als EU-Staaten oder als Mitglieder der G8 darum bemühen, positiv zur Entwicklung in Afrika beizutragen, so bedarf es dazu des intensiven Dialogs mit der afrikanischen Seite. Das mag im Einzelfall ein schwieriger Prozess sei, aber es ist eine Frage der Ehrlichkeit und des Respekts. Und nur auf dieser Basis ist langfristig Erfolg möglich.

 

Afrika stellt zu Recht den Anspruch, als Partner auf gleicher Augenhöhe respektiert zu werden. Wir wollen Afrika als Partner auf dem Weg zur Eigenverantwortung begleiten. Die Bundeskanzlerin sprach auf ihrer jüngsten Afrika-Reise von einer Reformpartnerschaft. Wie wichtig Afrika auch für uns ist, zeigt sich in der „Aktion Afrika", die Außenminister Steinmeier ins Leben gerufen hat. 2008 werden Sondermittel in Höhe von 20 Millionen Euro werden 2008 bereitgestellt, die in den Ausbau der kulturellen Infrastruktur und die Bildung fließen. Dazu gehört der Ausbau von Schulen, Kontakte zwischen Hochschulen wie die Eröffnung von Goethe-Instituten und ein Bildungsprogramm über Radio.

 

Das Auswärtige Amt will auch das Informationsangebot über Deutschland verbessern. Für das anglophone Afrika werden wir bald ein Deutschland-Zentrum eröffnen, das denjenigen Afrikanern, die das Internet nutzen, Deutschland näher bringen und besser verständlich machen soll. Den französisch-sprachigen Ländern Afrikas steht ebenfalls ein Deutschland-Zentrum im Internet zur Verfügung, das unter anderem die „nouvelles quotidiennes", tägliche Informationen, über deutsch-afrikanische Themen herausgibt. Ein ähnliches Angebot richtet sich an die lusophonen Bevölkerungen. Wir hoffen, dass diese Internet-Programme angenommen werden und sich zu einer lebendigen Plattform entwickeln. Auch diese Initiative zielt darauf, das gegenseitige Verständnis zu fördern und wir wünschen uns eine rege Beteiligung und interaktive Beiträge aus afrikanischen Ländern.

 

Wir wollen auch im Bereich von Stipendien mehr für Afrika tun, denn mit Stipendien vermitteln wir vielleicht die wichtigste Ressource in der heutigen Zeit, nämlich Bildung. Die Frankfurter Buchmesse hat deshalb zu Recht Bildung zum großen Thema seiner Rahmenveranstaltung gemacht, mit Einzelaspekten wie die Alphabetisierung, das lebenslange Lernen oder die Leseförderung. Der Besuch dieser Messe ist - und darin werden Sie mit mir übereinstimmen - ein Bildungserlebnis an sich.

 

Ich wünsche Ihnen, Herr Ripken, und Ihren Mitarbeitern ein gutes Gelingen, Ihnen, meine Damen und Herren Messebesuchern, lebendige und ertragreiche Veranstaltungen.

 

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!