Neue Chancen für einen Friedensdialog im Nahen Osten aufgreifen
94. Sitzung des Deutschen Bundestages, 26. April 2007:
Gernot Erler, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Krieg im Libanon im vergangenen Sommer war eine politische und menschliche Tragödie. Aber er markiert auch einen Aufbruch. Dazu hat die Bundesregierung, seitdem der Nahostfriedensprozess wieder Leben bekommen hat, besonders in ihrer Rolle im Rahmen der EU-Ratspräsidentschaft in spürbarer Weise beigetragen. Es war Außenminister Frank-Walter Steinmeier, der deutsche Zollexperten nach Beirut brachte und damit zu einem Ende der israelischen Blockade beitrug.
Die Bundeskanzlerin konnte bei ihrem USA-Besuch Anfang dieses Jahres das amerikanische Engagement verstärken, sich wieder mehr dem Nahost-Friedensprozess zu widmen. Anfang April hat sie durch ihre Reise in die Region erneut unser intensives Interesse an dem Nahost-Friedensprozess unterstrichen.
Schon sehr früh hat der deutsche Außenminister die Wiederbelebung des Nahostquartetts ins Spiel gebracht. Am 21. Februar hat das Quartett nach langer Pause wieder getagt - nicht zufällig in Berlin. Ein weiteres Treffen soll bald folgen, dann in der Region. Erfolgreich haben wir für ein stärkeres vermittelndes Engagement der konstruktiven arabischen Staaten geworben, so von Saudi-Arabien, Ägypten, Jordanien und den Vereinigten Arabischen Emiraten.
Nach der wichtigen Einigung von Mekka konnte die deutsche Ratspräsidentschaft eine einheitliche Position der EU bei der Frage der Kontakte mit den Vertretern der neuen Einheitsregierung und bei der Gestaltung der Hilfe für die Palästinensische Autonomiebehörde erreichen.
Das alles bringt mich zu einer behutsam positiven Zwischenbilanz nach den ersten vier Monaten der Ratspräsidentschaft. Der Nahostfriedensprozess bewegt sich wieder, und die europäische Stimme spielt in ihm eine wichtiger werdende Rolle. Aber unsere Erfahrung lehrt uns auch: Das politische Wetter in dieser Region kann von einem Tag auf den anderen umschlagen. Wir bleiben vorsichtig.
Die Übereinkunft von Mekka beendet eine Situation, die zu keiner Friedenslösung führen konnte. Aber noch kann von einer gesicherten Beachtung der unverzichtbaren drei Quartettkriterien - also Anerkennung des Existenzrechts Israels, der bisherigen Friedensabkommen und des Gewaltverzichts - keine Rede sein. Der erneute Kassam-Beschuss in den letzten Tagen aus dem nördlichen Gazastreifen ist ein trauriger Beleg dafür.
Jetzt kommt es darauf an, dass die neue Regierung der Nationalen Einheit die ermutigenden Passagen in ihrem eigenen Regierungsprogramm tatsächlich praktisch umsetzt. Wir appellieren an die verantwortlichen Palästinenser, den israelischen Soldaten Schalit endlich frei zu lassen,
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
ebenso wie den festgehaltenen britischen Journalisten Alan Johnston. Aber wir erwarten auch, dass parallel dazu die noch immer inhaftierten palästinensischen Abgeordneten und Minister in die Freiheit entlassen werden.
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
All das zeigt: Der Weg ist noch weit. Die Bemühungen der letzten Monate aber sind im Vergleich zu dem jahrelangen Stillstand erfreulich. Wir brauchen Geduld. Es gibt keine Abkürzungen bei diesem komplizierten Friedensprozess. Deswegen halten wir auch Aufrufe zu einer baldigen umfassenden internationalen Friedenskonferenz, wie sie immer wieder laut werden, in der jetzigen Situation eindeutig für verfrüht.
Die Bundesregierung wird ihr beharrliches Streben, einer nachhaltigen Friedenslösung unter Einbeziehung der beiden Partner näherzukommen, mit großem Einsatz fortsetzen. Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)