Usbekistan

85. Sitzung des Deutschen Bundestages, 8. März 2007 

Gernot Erler, Staatsminister im Auswärtigen Amt: 

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die deutsche Ratspräsidentschaft hat von den anderen europäischen Staaten das Mandat erhalten, eine Zentralasienstrategie zu erarbeiten. Diese Arbeit läuft bereits. Es geht voran, und wir stoßen bei den fünf infrage kommenden zentralasiatischen Ländern auf Interesse. Wir nutzen dieses Strategieprojekt auch dafür, Verbesserungen hinsichtlich der Rechtsstaatlichkeit und der Beachtung der Menschenrechte in allen dieser fünf Staaten zu erreichen. Was Usbekistan angeht, stehen immer noch die tragischen Ereignisse von Andischan vom 13. Mai 2005 und ihre Aufarbeitung im Vordergrund. Die EU hat auf diese Tragödie mit Sanktionen geantwortet, unter anderem mit einem Waffenembargo, mit Reisebeschränkungen gegenüber den Hauptverantwortlichen und mit der Aussetzung der praktischen Arbeit im Zuge des Partnerschafts- und Kooperationsabkommens. Die Bundesregierung hat sich von Anfang an intensiv um diese Vorfälle gekümmert. Ich selber habe im letzten Sommer in Taschkent sehr schwierige Gespräche dazu geführt. Der Außenminister ist im November vergangenen Jahres mit dem Staatspräsidenten zusammengetroffen und hat diese Themen ebenfalls aufgegriffen. Die EU hat ihren Druck in dieser Frage ständig aufrechterhalten. Dadurch konnte zwar keine Zustimmung für die eigentlich gewünschte Aufklärung durch eine unabhängige internationale Untersuchung erreicht werden, aber immerhin wurde von usbekischer Seite die Bereitschaft zur Durchführung gemeinsamer Gespräche im Rahmen einer Expertengruppe erklärt. Ein erstes Zusammentreffen einer solchen Expertengruppe hat vom 12. bis 14. Dezember letzten Jahres in Taschkent stattgefunden. Dabei hat die usbekische Regierung den Experten der Europäischen Union Einsicht in Akten sowie in schriftliches und elektronisches Beweismaterial gewährt. Die Experten sind mit Regierungsvertretern sowie Zeugen, Anwälten, Vertretern der Staatsanwaltschaft und Vertretern von Untersuchungsbehörden zusammengetroffen. Sie hatten Zugang zu einem Gefängnis und zu dort einsitzenden Verurteilten. Ferner haben sie die Orte des Geschehens in Andischan besucht und dort Gespräche mit Zeugen und Vertretern der beteiligten Behörden geführt. Trotz allem sind noch wichtige Fragen offen geblieben, weshalb wir darauf gedrungen haben, dass weitere Gespräche dieser Art stattfinden. Inzwischen gibt es die Zustimmung der usbekischen Seite, ein zweites Expertengespräch durchzuführen.

Im Lichte dieser sich Schritt für Schritt erweiternden Bereitschaft, in einen Dialog zu treten, hat bereits am 8. November letzten Jahres eine Sitzung des Kooperationsrates zwischen der EU und Usbekistan stattgefunden. Bei dieser Gelegenheit ist auch über Andischan gesprochen worden. Die Führung von Usbekistan hat gegenüber der EU ihre Bereitschaft erklärt, einen dauerhaften und regelmäßigen Menschenrechtsdialog zu führen. Daraufhin hat wiederum der Rat für Allgemeine Angelegenheiten am 13. November letzten Jahres die bisher geltenden Sanktionen dahin gehend modifiziert, dass die technischen Gremien im Rahmen des Partnerschafts- und Kooperationsvertrages wieder arbeiten, das Waffenembargo aber um zwölf Monate und der Visabann um sechs Monate verlängert werden. Es wurde aber auch vereinbart, diese Sanktionen alle drei Monate zu überprüfen. Die nächste Überprüfung wird im Mai dieses Jahres stattfinden. Bei jeder Begegnung von Vertretern der EU und der deutschen Bundesregierung mit Kollegen aus Usbekistan werden auch Einzelfälle angesprochen, durchaus mit Erfolg. In einem Fall ist es nach einem Gespräch von Außenminister Frank-Walter Steinmeier mit Präsident Karimow zur Freilassung eines oppositionellen Journalisten gekommen, der zu sechs Jahren Haft verurteilt worden war. Inzwischen sind auch die Vorbereitungen für den Menschenrechtsdialog, den ich angesprochen habe, vorangekommen. Wir hoffen, ihn bald konkret beginnen zu können. Er richtet sich nach den Vereinbarungen innerhalb der EU, das heißt, es wird nicht nur um Prinzipien gehen, sondern auch um Einzelfälle. Dabei werden auch die Vertreter der Zivilgesellschaft einbezogen. Dieser ganze Prozess spiegelt sich auch in der jüngsten Schlussfolgerung des EU-Rats zu Usbekistan vom 5. März wider, die diesen Prozess der wachsenden Kooperation abbildet.

Zusammenfassend darf ich Folgendes festhalten: Die Menschenrechtslage in Usbekistan gibt weiter Anlass zu ernster Sorge. Das bezieht sich nach wie vor auf die Ereignisse in Andischan, aber auch auf die Folgen und die Form der Prozesse sowie das Schicksal derjenigen, die damals geflüchtet sind. Wir sind besorgt über das weiterhin rigorose Vorgehen gegen oppositionelle Journalisten sowie Vertreter und Aktivisten von Menschenrechtsorganisationen, und wir sind besorgt über die Politik gegenüber den NGOs, zum Beispiel darüber, dass die Arbeit insbesondere der internationalen NGOs in Usbekistan erschwert wird. Aber auf der anderen Seite gibt es auch Bewegung, die hoffen lässt. Dabei ist die Entscheidung zu erwähnen, die Todesstrafe zum 1. Januar 2008 abzuschaffen und zu dem gleichen Zeitpunkt die Habeas-Corpus-Regelung in Usbekistan einzuführen. Hinzu kommt die Bereitschaft, nicht nur diese Expertengespräche zu führen, sondern auch einen dauerhaften Menschenrechtsdialog mit der EU zu etablieren. Wir werden unsere Bemühungen fortsetzen und dabei den Vertretern Usbekistans deutlich machen, dass eine positive Teilnahme an der EU Zentralasienstrategie und die Zusammenarbeit mit der EU nur möglich sind, wenn wir weiter konkrete Erfolge in dem von mir beschriebenen Sinne haben werden.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)