EU und NGOen - Partner bei Konfliktprävention und Krisenmanagement

Rede von Staatsminister Erler anlässlich der Konferenz "EU und NGOen - Partner bei Konfliktprävention und Krisenmanagement", 20. Juni 2007 

Meine Damen und Herren,

es ist mir eine große Freude, die Konferenz „Partner in der Krisenprävention und Konfliktbewältigung - Zusammenarbeit von EU und NGOs" zu eröffnen. Ich freue mich, dass diese Veranstaltung auf so großes Interesse gestoßen ist und wir heute rd. 140 Teilnehmer begrüßen könne. Sie alle möchte ich herzlich willkommen heißen.

In diesen Tagen, meine Damen und Herren, neigt sich die deutsche EU-Präsidentschaft ihrem Ende zu. Es waren 6 Monate, in denen die EU erneut ihr Engagement bei der Bewältigung von Konflikten eindrucksvoll unter Beweis gestellt hat. Derzeit gibt es 16 ESVP Missionen weltweit - so viele wie nie zuvor. Die weitaus größte Anzahl dieser Missionen - 13 - sind ziviler Natur. Sie umfassen ein breites Aufgabenspektrum: von der Europäischen Polizeimission EUPM und Bosnien und Herzegowina und die EU-Geführte militärische Mission Operation Althea über die EU Grenzunterstützungsmission in Rafah bis hin zur Integrierten Rechtsstaatsmission für den Irak EUJUST LEX trägt die EU dazu bei, Konflikte zu bewältigen und das Entstehen neuer Konfliktherde zu verhindern. Im vergangenen Jahr konnten wir mit der unter DEU-Führung stehenden militärischen Mission EUFOR Kongo erfolgreich den Verlauf der Parlamentswahlen absichern. Damit aber ist unsere Aufgabe nicht erfüllt. Jetzt gilt es, die ersten Erfolge beim Aufbau von Demokratie zu festigen und die Voraussetzungen für eine nachhaltige friedliche politische, wirtschaftliche und soziale Entwicklung dieses afrikanischen Landes zu schaffen. Auch hier bleibt die EU gefragt. Im Kosovo wird die EU nach Klärung des Status mit der größten zivile ESVP-Mission beginnen, die es je gegeben hat. Die Vorbereitungen hierfür sind in den letzten Monaten gut vorangekommen. Vor wenigen Tagen hat die ESVP-Polizeimission nach Afghanistan ihre Funktionen aufgenommen; damit unterstreicht die EU ihr fortgesetztes Engagement in diesem Land und ergänzt ihre bereits bestehende Unterstützung für den Wiederaufbau und die Stabilisierung Afghanistans in einem zentralen Bereich - dem Polizeiaufbau. Diese Mission baut auf dem bisher von Deutschland geführten Engagement auf.

Dies, meine Damen und Herren, sind nur einige Beispiele, die zeigen, in welchem Maße die EU heute gefordert ist, ihren Beitrag zu Frieden und Sicherheit weltweit zu leisten. Hierzu benötigt sie eine breite Palette flexibler Instrumente und Kapazitäten. DEU hat sich daher als EU-Präsidentschaft auch dafür eingesetzt, die Fähigkeiten der EU zum Krisenmanagement zu stärken.

Die zunehmenden Erwartungen an die EU, die hohen Erfordernisse an Finanzmitteln und Personal zeigen aber auch, wie wichtig es ist, darauf hinzuarbeiten, Krisen und Konflikte wo immer möglich im Vorfeld zu verhindern und ihnen entgegenzuwirken, um teure und risikobehaftete Maßnahmen der Konfliktbewältigung zu vermeiden. Konfliktprävention ist und bleibt daher eine zentrale europäische Aufgabe auch; daher müssen auch ihre Kapazitäten hierfür weiter ausgebaut und gestärkt werden. Dies gilt für die Verhinderung zwischenstaatlicher Konflikte, aber auch für Herausforderungen wie internationalen Terrorismus und organisierte Kriminalität, ethnische und innerstaatliche Auseinandersetzungen, Kämpfe um die Verteilung von Ressourcen und - nicht zuletzt - die Folgen des Klimawandels. Mit den Beschlüssen zur Reduzierung von CO2-Emissionen hat die EU unter deutscher Präsidentschaft Maßstäbe in der Bekämpfung des Klimawandels und seiner Folgen gesetzt. Der Zusammenhang zwischen Umwelt und Entwicklung ist unter unserer Präsidentschaft Thema zweier großer Konferenzen in Berlin und Brüssel in vergangenen Frühjahr gewesen. Gegenwärtig hat die EU-KOM den Vorsitz des „Kimberley-Prozesses" inne und kann damit an maßgeblicher Stelle an Maßnahmen für eine effizientere Verhinderung des Handels mit sog. „Blutdiamanten" mitwirken.

Meine Damen und Herren,

den vielfältigen Bedrohungen werden wir nur begegnen können, wenn alle wichtigen Akteure - nationale und internationale, staatliche und nichtstaatliche - zusammenarbeiten, ihren jeweiligen Mehrwert einbringen und sich gegenseitig unterstützen. Für die EU heißt das: Sie muss effiziente und vertrauensvolle Partnerschaften mit anderen Akteuren bilden. Anfang Juni haben der Generalsekretär der Vereinten Nationen, Ban Ki-Moon, und Bundesaußenminister Steinmeier hier Berlin eine Gemeinsame Erklärung zur Vertiefung der Zusammenarbeit zwischen den Vereinten Nationen und der Europäischen Union beim internationalen Krisenmanagement unterzeichnet. Partnerschaften braucht es auch mit Staaten außerhalb der EU, darüber hinaus aber auch mit nichtstaatlichen Akteuren, vor allem mit der Zivilgesellschaft. Die Europäische Sicherheitsstrategie und das EU-Programm für die Verhinderung gewaltsamer Konflikte setzen hier klare Vorgaben. Und auch auf nationaler Basis hat sich die Bundesregierung im „Aktionsplan Zivile Krisenprävention, Konfliktlösung und Friedenskonsolidierung" verpflichtet, die Vernetzung der staatlichen Akteure in der Krisenprävention und Konfliktbewältigung mit der Zivilgesellschaft zu fördern, auch auf internationaler und dabei v.a. auf europäischer Ebene. Diese Konferenz soll genau hierzu einen Beitrag leisten.

Es kann nicht um ein Entweder/ Oder gehen: staatliches oder zivilgesellschaftliches Engagement, das eine als Ersatz für das andere. Beide sind gefordert, ihre Beiträge, ihren Mehrwert einzubringen in ein kohärentes Ganzes. Die Partnerschaft basiert auf gemeinsamen leitenden Werten und Normen von Demokratie, Menschenrechten, rechtsstaatlichen Prinzipien und guter Regierungsführung. Dies ist Voraussetzung für ein kohärentes und kooperatives Grundverständnis in dieser Partnerschaft, trotz aller Unterschiede in den Interessen und Funktionsweisen.

Dies Partnerschaft darf auch nicht beliebig sein. Was wir letztlich brauchen, ist eine „Kultur der Zusammenarbeit" zwischen staatlichen und nichtstaatlichen Akteuren. Diese muss sich etablieren, selbstverständlich werden und selbsttragend sein. Sie muss vor allem auch unabhängig sein von den beteiligten Personen und individuellen Gegebenheiten; Personalwechsel und Rotation dürfen sie nicht beeinträchtigen oder gar zum Erliegen bringen. Mit dieser Konferenz wollen wir einen Beitrag dazu leisten, Wege und Mechanismen zu finden, wie wir zu einer solchen Kultur kommen und sie zum Tragen bringen können.

Letztlich wird dies - auch heute noch - ein Prozess sein. Noch immer gilt es, vorgefaßte Meinungen abzubauen, Zurückhaltung gegenüber einer Zusammenarbeit zu überwinden. Dies wird nicht von heute auf morgen gelingen, aber es kommt darauf an, diesen Prozess kontinuierlich weiterzuführen , ihn zu verstetigen.

Deshalb freue ich mich besonders, dass wir die heutige Konferenz unter die Ägide der sog. Trio-Präsidentschaft - Deutschland, Portugal und Slowenien - stellen konnten. Leider mußte der Staatssekretär im portugiesischen Ministerium für Auswärtige Angelegenheit und Entwicklung, Herrn Professor Joao Cravinho, seine Teilnahme kurzfristig absagen. Ich darf aber ganz herzlich den Staatssekretär in slowenischen Außenministerium, Herr Andej Ster, begrüßen. Vielen Dank, dass Sie nach Berlin gekommen sind und heute mit ihrer Anwesenheit hier ein Signal dafür setzen, dass ihr Land in diesen Prozess weiterführen wird. Ich bin zuversichtlich, dass auch unter der kommenden portugiesischen Präsidentschaft die Weichen weiter gestellt werden. Ich darf versichern, dass die Bundesregierung diesenProzess auch über die deutsche Ratspräsidentschaft hinaus aktiv unterstützten wird. Die geplante Überprüfungskonferenz unter slowenischer Präsidentschaft Anfang 2008 wird uns schon bald Gelegenheit geben, eine Zwischenbilanz zu ziehen und dem Prozess neue Impulse zu geben.

Ganz herzlich begrüßen möchte ich an dieser Stelle auch Herrn Dan Smith, Generalsekretär von International Alert, London, der hier auf dem Panel als Repräsentant  unserer zivilgesellschaftlichen Teilnehmer vertreten ist. Ich denke, ich kann auch für meine Kollegen aus Portugal und Slowenien sprechen, wenn ich sage, dass unsere gemeinsame Eröffnung dieser Konferenz für den Geist der Zusammenarbeit steht, der diese Veranstaltung prägen soll.

Ich möchte es auch nicht versäumen, ein Wort des Dankes sagen an die Mitveranstalter dieser Konferenz zu richten:  der Bertelsmann-Stiftung, dem European Peacebuilding Liaison Office (EPLO) und der Crisis Management Initiative (CMI). Die heutige Konferenz bildet den Schlusspunkt und Höhepunkt eines Projekts, dessen Vorbereitung und Durchführung Sie in enger Zusammenarbeit mit dem Auswärtigen Amt von Beginn an aktiv gestaltet haben. Ohne ihre großes, kontinuierliches Engagement wäre das Projekt „Rolle der Zivilgesellschaft II" und wäre diese Konferenz nicht zustande gekommen.

Wir haben aber nicht nur auf die große Expertise unserer Partner in dem Projekt zurückgreifen können, sondern haben auch auf einer ausgezeichnete Basis aufbauen können, die unsere finnischen Kollegen während ihrer EU-Präsidentschaft im zweiten Halbjahr 2006 gelegt haben. Mit dem Vorgängerprojekt „Rolle der Zivilgesellschaft" sind in einer Reihe von Seminaren und Workshops und einer hochrangigen Konferenz in Helsinki im September letzten Jahres konkrete Empfehlungen formuliert worden, wie die Zusammenarbeit zwischen der EU und NGOs im Kontext von ESVP-Missionen verbessert werden kann. Diese Empfehlungen sind dann in Brüssel im Auschuss für zivile Aspekte des Krisenmanagements (CIVCOM) diskutiert und schließlich im November letzten Jahres vom Politischen und Sicherheitskommitee (PSK) in Brüssel indossiert worden. Damit ist ein wichtiger Schritt getan, denn es gibt nun im Rahmen der EU erstmals offiziell indossierte Empfehlungen für Schritte hin zu einer strukturierteren Zusammenarbeit. Hierauf wollen wir aufbauen. Unsere EU-Präsidentschaft hat uns hierfür eine besondere Chance geboten, die wir gerne aufgenommen haben. Die Unterstützung, die unsere finnischen Partner uns in dieser Zeit haben zukommen lassen, war für uns eine wertvolle Hilfe. Und ich freue mich auch besonders, dass heute die Leiterin der politischen Abteilung im finnischen Außenministerium, Frau Vierros-Villeneuve, hier anwesend ist, die ich ganz herzlich willkommen heißen möchte.

Meine Damen und Herren,

die kommenden beiden Tage werden Ihnen Gelegenheit geben zu einem intensiven Meinungsaustausch, einer breit angelegten Debatte und einer ergebnisorientierten Arbeit in vier Panels. Im Ergebnis würde ich mir wünschen, dass diese Konferenz einen kleinen Beitrag dazu leisten kann, Wege zu identifizieren, die Zusammenarbeit zwischen EU und NGOs in der Krisenprävention und Konfliktbewältigung auf Basis unserer gemeinsamen Grundlagen und in Interesse unserer gemeinsamen Ziele, Frieden und Sicherheit zu schaffen, effektiver zu gestalten. Hierzu wünsche ich Ihnen viel Erfolg.