Weg der Bundesregierung richtig. Interview im Deutschlandfunk, 28. Januar 2003

Weg der Bundesregierung richtig

Zagatta: Unser Thema heute morgen ist der Irak-Konflikt nach dem Bericht der UNO-Inspektoren. Wie geht es weiter, vor allem auch aus deutscher Sicht? Darüber wollen wir jetztmir Gernot Erler sprechen, er ist stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion und dort für die Außenpolitik zuständig. Guten Morgen, Herr Erler.

Erler: Guten Morgen. Ich grüße Sie.

Zagatta: Herr Erler, der Bericht an die UNO ist jetzt ja weit Irak-kritischer ausgefallen, als man das eigentlich erwartet hat. Blix hat Bagdad mangelnde Kooperation vorgeworfen und auch den Verdacht geäußert, dass Bagdad noch immer über biologische und chemische Waffen verfügt. Wenn man das so hört, war es dann nicht voreilig, dass die Bundesregierung sich schon festgelegt hat?

Erler: Ich habe diesen Bericht heute nacht noch gelesen und es stimmt, es gibt da zwei verschiedene Richtungen. Das eine ist, dass durchaus von Hans Blix anerkannt wird, dass der Irak Zugang gewährt, das heißt, dass er passiv mitwirkt, wie die UNO-Resolution 1441 verlangt. Aber es gibt da auch einen Paragraphen 9 in dieser Resolution, der eine aktive Mitwirkung verlangt und er stellt fest, dass man von dieser aktiven Mitwirkung, also einer Bereitschaft, sich auch tatsächlich auf dieses Ziel der Selbstabrüstung einzulassen, nicht in hinreichendem Maß sprechen kann und fordert hier eindeutig Verbesserungen. Das Interessante ist, dass jetzt als Reaktion auf den Bericht der Irak angekündigt hat, in Zukunft, in den nächsten Tagen und Wochen, besser kooperieren zu wollen. Insofern scheint der Bericht sein Ziel zu erreichen und Deutschland muss sich keine Sorgen darüber machen, dass es hier eine falsche Aussage gemacht hat.

Zagatta: Nun sagen ja die USA, dieses mögliche Einlenken von Bagdad hängt weniger mit dem Bericht zusammen, als vielmehr damit, dass diese Kriegsdrohungen, der Aufmarsch dort in der Golfregion existiert. Nochmal gefragt: War es da nicht voreilig, dass die Bundesregierung sich schon festgelegt hat, auf alle Fälle gegen einen solchen Krieg zu stimmen?

Erler: Nein, ich denke, es gibt ja zwei politische Felder hier in diesem Irak-Konflikt. Das eine ist, wie wirkt man auf den Irak ein, das andere ist aber auch, wie kann man erreichen, dass das Ganze auf der Basis der Vereinten Nationen und nicht ohne Rücksicht auf das, was die europäischen Länder sich vorstellen, abläuft. Und ich denke, da hat Deutschland doch ein bisschen Beitrag geleistet. Das ist ja jetzt auch sichtbar in der deutsch-französischen Zusammenarbeit und für mich vielleicht das wichtigste Ergebnis von gestern: diese Erklärung der 15 Außenminister der EU, dass sie jetzt das gemeinsamen Ziel verfolgen, dass die Inspektoren genügend Zeit für ihre Arbeit bekommen. Ich denke, zu dieser gemeinsamen europäischen Position hat auch Deutschland eine ganze Menge beigetragen. Ich denke, die Richtung war richtig und das wird auch in der Bevölkerung so gesehen.

Zagatta: Aber andere in Europa überlegen sich ja, notfalls auch mit den USA zu stimmen. Wenn alle Sicherheitsratsmitglieder die deutsche Position vertreten würden, dann könnte Bagdad die UNO-Inspektoren doch gleich wieder vor die Tür setzen.

Erler: Nein, keineswegs, denn die Verlängerung der Inspektionen, die jetzt auch von Großbritannien gefordert wird, bedeutet ja keineswegs eine Verminderung des Drucks auf Bagdad. Im Gegenteil, es wird ja erwartet, dass diese Verlängerung genutzt wird zu besserer Kooperation, auch intensiverer Nutzung der technischen Mittel. Man darf nicht vergessen, dass die UNO-Inspektoren erst seit drei Wochen über gerade mal eben acht Helikopter verfügen, dass viele technische Geräte noch gar nicht eingesetzt werden konnten und dass etwa nur die Hälfte der Stätten, die auf der Liste sind, bisher besucht werden konnten, so dass es schon Sinn macht, hier diesen Druck weiter fortzusetzen. Das ist keineswegs eine Bequemlichkeit, die Bagdad da serviert wird.

Zagatta: Die USA wollen jetzt aus diesem Bericht den Schluss ziehen, den Sicherheitsrat zu fragen, so haben wir gehört, ob der Irak der UNO-Resolution nachgekommen ist oder nicht. Da soll man mit ja oder nein antworten. Kann Deutschland diese Frage anders als mit nein beantworten?

Erler: Ich denke, das wird nicht alleine Deutschland zu entscheiden haben sondern ich gehe davon aus, dass es hier eine Wiederholung der Kritik geben wird, die die Inspektoren vorgelegt haben, dass aber trotzdem daraus nicht der Schluss gezogen werden kann, dass es einen Kriegsgrund gibt und dass deshalb die Mehrheit der Sicherheitsratsmitglieder und das mit der Rückendeckung der EU eben für diese Fortsetzung, diese Verlängerung der Inspektionen eintreten wird.

Zagatta: Die USA drängen aber auf ein militärisches Eingreifen, Herr Erler. Wie geht das denn weiter, wenn Deutschland am Wochenende den UNO-Vorsitz übernimmt, muss Berlin dann auf eine zweite UNO-Resolution drängen oder wäre die gar nicht nötig, wenn die USA und Großbritannien sich entscheiden, alleine loszuschlagen?

Erler: Das ist eine Entscheidung, die natürlich nur diese beiden Länder treffen können. Sie können natürlich aus der politische Sphäre der UNO austreten und sagen: Wir interpretieren einfach die Resolution 1441 in unserem Sinne, das heiß also als Legitimation mit so genannten ernsthaften Konsequenzen, das heißt, um kriegerische Maßnahmen zu treffen. Aber es spricht auch sehr viel dafür und es ist auch schon andeutungsweise so gesagt worden, dass beide Länder es doch vorziehen, wenn dann die Mehrheit des UNO-Sicherheitsrates sich für diese Verlängerung der Inspektionen ausspricht, das doch zu akzeptieren; jedenfalls dann, wenn diese Verlängerung nicht ewig ist, wie Colin Powell das ausgedrückt hat.

Zagatta: Wie weit ist denn Berlin bereit, bei einem möglichen Krieg mitzumachen? Man ist offiziell gegen den Krieg aber andererseits ja auch zu Zugeständnissen bereit. Ist das für die SPD beschlossene Sache, dass deutsche AWACS-Besatzungen, wie von den USA gewünscht, zum Einsatz kommen?

Erler: Man muss hier sehen, weil Sie nach der SPD fragen, dass unsere Verfassung hier ein relativ breites Feld für exekutive Entscheidungen vorsieht. Das ist auch niedergelegt in diesem berühmten Verfassungsgerichtsurteil von 1996 und die Bundesregierung hat sich festgelegt, hat gesagt, alles, was wir als Bündnisverpflichtungen ansehen, was zum Beispiel auch nicht im Bundestag nach dem Parlamentsvorbehalt beschlossen werden muss, weil es eine Entsendung von deutschen Soldaten bedeutete, alles das haben wir dem amerikanischen Bündnispartner entsprechend zugesagt. Und darüber gibt es eigentlich eine durchaus aufmerksame Diskussion in der Öffentlichkeit, aber die Bundestagsfraktion hält diese Zusagen für richtig und vernünftig, die die Bundesregierung hier gemacht hat.

Zagatta: Muss der Bundestag da noch einmal gefragt werden, so, wie die Opposition das fordert und Teile der Grünen es wohl auch wünschen?

Erler: Nein, das ist ja gerade das, was man gerne die rote Linie nennt. Dass eben in dem Augenblick, wo der Parlamentsvorbehalt greifen würde, wir tatsächlich in einem anderen Szenario drinnen wären. Das wäre dann eine Beteiligung. Deswegen kann es hier nur um Entscheidungen und Maßnahmen gehen, die genau nicht im Parlament beschlossen werden müssen.

Zagatta: Aber wenn AWACS-Flugzeuge ja mit der Zielortung im Irak dienen können, muss dann das Parlament nicht gefragt werden?

Erler: Das ist eine rechtlich komplizierte Frage, aber die bisherigen Auskünfte, die die Bundesregierung auch dahingehend eingeholt hat, dass wenn es sich um die Flugkontrollmaßnahmen zum Schutz des Bündnisgebietes - und zu dem Bündnisgebiet gehört die Türkei - handelt, dass dann selbstverständlich kein zusätzlicher Beschluss notwendig ist. Diese Flüge finden ja routinemäßig statt.

Zagatta: Aber eine Zielortung im Irak dürfte damit nicht verbunden sein?

Erler: Wenn es eine Änderung der Mission gibt, wo ausdrücklich Maßnahmen angeordnet werden in der Mission, die etwas mit Kriegsvorbereitung oder Flugleitaufgaben zu tun haben, dann ändert sich in der Tat die Tatsache und es wird schwierig für die Fortsetzung der deutschen Besatzung in den AWACS. Das ist der Bundesregierung auch bewusst.

Zagatta: Dankeschön für diese Informationen. Das war Gernot Erler, der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion.