"Es ist eindeutig, dass diese Resolution zum Krieg führen würde". Interview bei NDR Info, 25. Februar 2003

Es ist eindeutig, dass diese Resolution zum Krieg führen würde

Der Irak habe seine letzte Chance zur Abrüstung verpasst - so steht es in der neuen UN-Resolution, die die USA, Großbritannien und Spanien in den UN-Sicherheitsrat eingebracht haben. Der Irak habe die Abrüstungsverpflichtungen bereits jetzt erheblich verletzt. So sehen es die drei und werben nun um die Zustimmung der anderen Sicherheitsratsmitglieder. Eine ausdrückliche Ermächtigung zu einem Krieg sieht die Resolution nicht vor. Auch ein Ultimatum beinhaltet sie nicht. Fragen an Gernot Erler, den stellvertretenden Chef und Außenexperten der SPD-Bundestagsfraktion.

NDR Info: Herr Erler, ist das eine Resolution, auf die sich die Bundesregierung einlassen sollte?

Erler: Nein, das kann sie nicht und das wird sie nicht, weil sie immer gesagt hat, dass sie nicht dazu beitragen wird, dass es eine Legitimation für einen Krieg geben wird. Es kommt nicht so sehr auf den Text dieser Resolution an, sondern auch auf das, was die beiden Hauptautoren dieser Resolution, das heißt die Vereinigten Staaten und Großbritannien, hier erklären dazu. Und das ist eindeutig, dass diese Resolution zum Krieg führen würde.

NDR Info: Das heißt, sie impliziert es sozusagen zwingend und man kann das gar nicht anders interpretieren?

Erler: Ja, es ist ja im Grunde genommen die Feststellung, dass diese ernsthaften Verletzungen der Vorschriften der UNO jetzt schon Tatsachen seien. Und damit gibt es eine Legitimation, ernsthafte Konsequenzen zu ziehen. Und im internationalen Sprachgebrauch ist das praktisch identisch mit einer Ermächtigung zu militärischen Maßnahmen.

NDR Info: Und Deutschland setzt weiterhin auf eine friedliche Lösung und vielleicht auch auf mehr Inspektionen. Aber man fragt sich ja auf der anderen Seite, worauf kann man da noch setzen? Saddam Hussein hat ja gestern Abend offenbar schon einmal so eine Forderung von Hans Blix abgelehnt, die ja vielerorts als Test dafür gesehen wird, ob er mit den Vereinten Nationen zusammenarbeiten will. Da geht es ja darum, mit der Verschrottung dieser Raketen mit Überreichweite zu beginnen. Wenn er das also nicht machen will, worauf wollen Sie dann noch setzen?

Erler: Ja, ich meine, das ist natürlich jetzt ein Vorgang, den wir schon kennen. Das hat es öfter gegeben im Irak, dass am Anfang die Forderungen der Vereinten Nationen ersteinmal kritisch aufgenommen werden. Das galt zum Beispiel auch für die Überflüge von Beobachtungsflugzeugen. Inzwischen fliegt die U2. Inzwischen hat der Irak auch genehmigt, dass die Mirage 4 der Franzosen oder das deutsche Drohnensystem Luna eingesetzt wird. Ich setze darauf, dass der Irak auch diese Position hier korrigiert. Ich hoffe auch darauf, dass die arabischen Länder jetzt noch einmal ernsthaft, soweit sie Einfluss auf die irakische Führung haben, hier das Gespräch suchen. Denn es ist völlig klar, die Raketen, das haben die UNO-Inspektoren festgestellt, entsprechen nicht den Dingen, zu denen sich der Irak verpflichtet hat. Und deswegen ist es konsequent, dass Hans Blix sagt, die müssen aus dem Verkehr gezogen werden.

NDR Info: Und man muss dem Irak noch mehr Zeit geben und aus Ihrer Sicht dieser UN-Resolution nicht zustimmen. Mitte März soll da ja die Abstimmung erfolgen im UN-Sicherheitsrat. Gehen Sie eigentlich weiterhin fest davon aus, dass auch die Vetomächte Frankreich, Russland und China diese neue Resolution ablehnen werden, wenn es zur Abstimmung kommt?

Erler: Es geht ja gar nicht darum, dass sie jetzt nur irgendetwas ablehnen und "Nein" sagen sondern wir haben jetzt eine neue Situation. Deutschland Frankreich und Russland haben mit Zustimmung von China ja praktisch eine eigene Position vorgelegt, die besagt, dass jetzt die Inspektoren einen klaren Fahrplan vorlegen sollen und auch klare Forderungen definieren sollen, die der Irak stufenweise erfüllen soll. Das schließt ja auch eine Lücke. Bisher sah das immer so aus, dass das bald eine Formel wurde: Der Irak muss komplett alle Forderungen erfüllen, aber welche denn im Einzelnen? Das wusste niemand. Die vier Mächte haben gesagt, das soll möglichst in einem Fahrplan etwa im Rahmen von vier Monaten durchgeführt werden, so dass es jetzt eigentlich eine klare Alternative gibt. Auf der einen Seite die Feststellung, es ist nichts mehr zu machen als Alternative zum Krieg, und auf der anderen Seite ein klarer Fahrplan für die Entwaffnung des Irak ohne Krieg. Diese beiden Positionen stehen jetzt gegeneinander. Und es sieht bisher so aus, dass die Mehrheit im Sicherheitsrat für die Position von Deutschland, Frankreich und Russland ist.