Presseerklärung vom 4. Mai 2003

Dem Neubeginn in Palästina muss eine Chance gegeben werden

Zur neuen Regierung der palästinensischen Autonomieverwaltung erklärt der Stellvertretende Vorsitzende der SPD-Fraktion Gernot Erler:

Nach langen Verhandlungen und unter internationalem Druck haben sich die Palästinenser endlich auf eine neue Regierung geeinigt, die neben bisherigen Ministern ein ganze Reihe neuer Gesichter enthält, die als Reformpolitiker gelten. Das Votum des Autonomierates für das Kabinett des neuen Ministerpräsidenten Mahmud Abbas war deutlicher als erwartet. Offensichtlich hat eine große Mehrheit der palästinensischen Abgeordneten eingesehen, dass der bisherige gewalttätige Konfrontationskurs zu keiner Lösung führt und dass eine tiefgreifende Reform der Autonomieverwaltung überfällig ist.

Prinzipiell hat mit diesem Votum Mahmud Abbas nun freie Hand, mit den Missständen und der Korruption aufzuräumen und der sinnlosen Gewalt gegen Israel entgegenzutreten. Sein neuer Minister für Staatssicherheitsangelegenheiten Mohammed Dahlan wird ihn dabei tatkräftig unterstützen. Die Umwandlung Palästinas von einem "bewaffneten Chaos" zu einem Rechtsstaat wird eine sehr schwere Aufgabe werden. Die Arafat ergebenen Kabinettsmitglieder werden mitmachen, da auch sie letztlich auf Erfolge angewiesen sind.

Betrachtet man jedoch die Stimmungslage in der palästinensischen Bevölkerung, ist hinsichtlich der Erfolgsaussichten der neuen Politik eher Skepsis angebracht. Nach wie vor genießt Arafat das größte Vertrauen, die neue Regierungsmannschaft wird teilweise als amerikagesteuert angesehen und vielfach als zu kompromissbereit gegenüber den Israelis gewertet. Die erste Stellungnahme der Hamas, dass sie sich selbstverständlich nicht entwaffnen lassen werde, verheißt nichts Gutes.

Es ist also eher zu erwarten, dass es nicht schnell zu einer vollständigen Beendigung der blutigen zweiten Intifada kommen wird. Weder Mahmut Abbas, noch sonst ein Politiker und wohl nicht einmal Arafat selbst können die Gewalt per Knopfdruck beenden. Es darf nicht vergessen werden, dass die Gewalt dieser Intifada nicht nur von menschenverachtenden Terroristen ausgeht, sondern auch die Antwort auf die Gewalt der jahrzehntelangen Besatzung und der völkerrechtswidrigen israelischen Siedlungspolitik ist.

Auch Israel ist daher jetzt gefordert, umzudenken und seine Politik zu ändern. Dabei kann es nicht bei den bisher angekündigten Goodwill-Maßnahmen bleiben. Insbesondere sollten an die neue Regierung keine unerfüllbare Bedingungen gestellt werden, die bei zu erwartendem Scheitern dann gleich wieder mit der bisherigen Politik beantwortet werden, die die Spirale der Gewalt nur wieder weiterdreht.

Der Neubeginn muss von der internationalen Staatengemeinschaft gewürdigt und nach Kräften unterstützt werden. Die Ankündigung Amerikas, die "Roadmap" für den Friedensprozess baldmöglichst zu veröffentlichen, ist zu begrüßen. Präsident Bush hat zu Beginn des Irak-Kriegs sehr deutlich die Verpflichtung der Vereinigten Staaten angesprochen, das Kernproblem des Nahen Ostens einer Lösung zuzuführen. Die Zeit ist gekommen, dieses Versprechen einzulösen.