Verhandlungserfolg zu iranischem Atomprogramm, Deutschlandfunk Interview 22. Oktober 2003

Verhandlungserfolg zu iranischem Atomprogramm

Silvia Engels: Herr Erler, reicht Ihnen denn der iranische Beschluss, die Urananreicherung vorläufig auszusetzen, aus, um dem Iran wieder zu vertrauen?

Gernot Erler: Ich glaube, es ist ganz entscheidend, dass hier ein dreifacher Erfolg eigentlich errungen ist, ein abrüstungspolitischer, ein regionaler und sogar ein internationaler, was die Politik angeht, denn hier haben wir zum ersten Mal seit langer Zeit eine positive Meldung aus der ganzen Nahostregion, was jetzt diese Erfüllung von wichtigen Forderungen der Weltgemeinschaft angeht. Dieses Versprechen ist ja jetzt nicht gegenüber der IAEO, sondern gegenüber drei der sehr wichtigen europäischen Partner des Iran gegeben worden. Der Schaden für den Iran, jetzt nicht das zu tun, was man versprochen hat gegenüber den drei Außenministern, wäre so immens, dass man sich das nicht vorstellen kann, dass hier nochmals ein Rückschritt erfolgt, sondern ich bin eigentlich optimistisch, dass die Zusagen auch eingehalten werden.

Engels: Nun hat aber gerade auch gestern Abend der Chef des nationalen Sicherheitsrats des Iran, Rohani, gesagt, die Urananreicherung sei nicht endgültig ausgesetzt. Ist das nicht schon wieder ein Zurückrudern?

Erler: Das hat er auch schon vorher gesagt, denn die Formulierung in dem Text, den wir kennen, heißt, dass eben die Anreicherung und die Wiederaufbereitung ausgesetzt wird. Mehr ist also in dem Gespräch auch nicht herausgekommen. Das steht also auch schriftlich da drin. Insofern ist das keine neue Meldung. Das war jetzt in diesem Zeitpunkt nicht zu erreichen, aber man muss wissen, das Entscheidende ist, es gab bei den verschiedenen politischen Gruppen im Iran auch unter den Reformern verschieden Positionen. Es gab auch welche, die eben nicht bereit waren, dieses Atomprogramm völlig offen zu legen und diesen Brennstoffkreislauf - und das ist die Voraussetzung für den Bau oder vielmehr für die Erzeugung von atomwaffenfähigen Produkten - zu unterbrechen. Jetzt ist durch dieses Eingreifen der drei Außenminister erreicht worden, dass sich hier eine bestimmte Gruppe innerhalb der Reformer auch im Iran durchgesetzt hat, und das ist der entscheidende Punkt für mich.

Engels: Nun ist Melissa Flemming - wir haben es gerade gehört -, die Sprecherin der IAEO, noch ein wenig skeptisch, und sie verweist natürlich auf den Druck, den auch das Ultimatum ihrer Organisation bis zum Ende des Monats ausgeübt hat. Überschätzen Sie da nicht den Einfluss der drei Außenminister? Sie sind ja dem Iran sehr weit entgegengekommen, dafür haben Sie aber letztlich nur freiwillige Ankündigungen gehört.

Erler: Es ist natürlich klar, dass es hier auch einen organisationsinternen Druck gegeben hat durch zum Beispiel dieses Setzen dieses Termins 31. Oktober und der Drohung, dann negative Berichte in den Vereinten Nationen über den Iran zu geben. Aber in Wirklichkeit ist dieser Druck für den Iran erst dadurch richtig spürbar geworden, dass die europäischen Staaten zwei Dinge getan haben. Sie haben gesagt, wenn es zu dieser Nichterfüllung der Forderung kommt, dann wird es Schwierigkeiten mit den europäisch-iranischen Beziehungen, vor allem im Handelsbereich geben. Das hätte unmittelbare Wirkung auch auf den Wohlstand, auf die politische und ökonomische Entwicklung im Iran gebracht. Und umgekehrt wurde das aber auch geschickterweise verbunden mit Angeboten, iranischen Wünschen zum Beispiel auf den Bezug von Technologie, auf bessere Zusammenarbeit im ökonomischen Bereich, nachzukommen, und diese Verbindung von einem Druck mit einem Angebot, einer Prämierung von Entgegenkommen, ist eigentlich ein Kennzeichen von Diplomatie, was sich hier durchgesetzt hat und was natürlich in einer Distanz steht und in einem Vergleich sich zu stellen hat mit etwa der Politik der Achse des Bösen, wie sie der amerikanische Präsident Anfang 2002 schon aufgemacht hat, also ein extremes Druckpotential. Es hat sich herausgestellt, dass diese Verbindung von Druck und Angebot doch erfolgreicher war als alles, was bisher mit dem Iran versucht worden ist.

Engels: Stichwort Angebot. Kann denn der Iran als Belohnung für sein Wohlverhalten nun erwarten, dass ihm geholfen wird, die Atomenergie friedlich zu nutzen?

Erler: Ja, also dieses Angebot ist im Gepäck der drei Außenminister gewesen. Sie haben es hinterher vermieden, das genau zu konkretisieren. Das ist auch sehr klug, dass man das in dieser Minute nicht im Detail aufführt, aber es ist ein Paket gewesen von Angeboten, was Handelsbeziehungen angeht, was also allgemeine wirtschaftliche Vorteile für den Iran angeht, aber auch ganz spezifisch eine Art Garantie, dass der Iran nicht daran gehindert wird, das zu tun, was er nun mal möchte und wo er auch sehr viel Geld investiert hat, nämlich die friedliche Nutzung der Atomenergie auf dem neuesten Standard der Technik durchzuführen. Das ist ja wiederum auch ein Stückchen mehr Sicherheit in der Region, denn solche Beziehungen führen ja auch automatisch zu mehr Kontrolle über diese Programme.

Engels: Vielen Dank für das Gespräch.