SPD begrüßt Neufassung der Politischen Grundsätze für den Rüstungsexport
Zu dem heutigen Kabinettsbeschluss über die neuen "Politischen Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern" erklärt der Stellvertretende Fraktionsvorsitzende Gernot Erler, der an der Textarbeit für die Neufassung im Auftrag der SPD-Bundestagsfraktion beteiligt war:
Die Neufassung der "Politischen Grundsätze" von 1982 war überfällig. Die deutschen Regeln für den Rüstungsexport waren hinter der politischen Entwicklung zurückgeblieben und auch durch den "Verhaltenskodex der Europäischen Union für Waffenausfuhren" (Code of Conduct) vom 8. Juni 1998 überholt worden. Den letzten Anstoß für die Überarbeitung der Richtlinien gab die Koalitionskrise nach dem Beschluss des Bundessicherheitsrates zur Freigabe eines Testpanzers Leopard A 2 an die Türkei am 20. Oktober 1999.
Die neuen Grundsätze verlangen bei Exportentscheidungen ein "besonderes Gewicht" für die Beachtung der Menschenrechtssituation im Empfängerland und schließen Waffenexporte in Länder aus, in denen "fortdauernde und systematische Menschenrechtsverletzungen" stattfinden. Bei Rüstungskooperationen mit NATO-Ländern, deren Notwendigkeit nicht bestritten wird, strebt die Bundesregierung die Möglichkeit an, "Einwendungen wirksam geltend zu machen". Waffenlieferungen in andere Länder werden grundsätzlich restriktiv gehandhabt, wobei erstmalig auch ernsthafte Beeinträchtigungen nachhaltiger Entwicklung als Kriterium genannt werden. Besonderen Wert legt die Neufassung auf eine strikte Sicherung des Endverbleibs gelieferter Waffen. Ein jährlicher Rüstungsexportbericht der Bundesregierung im Parlament soll die Kontrollmöglichkeiten des Bundestages über die Rüstungsexportpolitik erweitern.
Die SPD-Bundestagsfraktion begrüßt die heute vom Kabinett beschlossenen neuen Export-Richtlinien. Sie sieht darin eine gelungene Balance zwischen der Notwendigkeit, Waffenexporte unter Menschenrechtskriterien wirksam zu überprüfen, und dem ausgeprägten deutschen Interesse, auch in Zukunft besonders im europäischen Maßstab kooperationsfähig in der Rüstungszusammenarbeit zu bleiben.
Die neuen "Politischen Richtlinien" sind ein guter Schritt vorwärts, dem aber weitere folgen müssen. Um künftig Konflikte innerhalb der Regierungskoalition zu vermeiden, lohnt es sich, über Kommunikations- und Frühwarninstrumente bei sensiblen Waffenexport-Anfragen nachzudenken. Die SPD-Bundestagsfraktion hat außerdem beschlossen, Initiativen zu einer europäischen Vergemeinschaftung von Rüstungsexportkriterien zu ergreifen, die auf der Basis des "Code of Conduct" und der neuen deutschen Grundsätze einen höheren Grad praktischer Verbindlichkeit erreichen müssen.
Angefügt werden hier einige detaillierte Angaben zur unmittelbaren Vorgeschichte des heutigen Kabinettsbeschlusses:
Die bisher gültige Version der "Politischen Grundsätze" datiert auf den 28.04.1982 und war seit längerem überarbeitungsbedürftig, besonders nach der Verabschiedung des "Verhaltenskodex der Europäischen Union für Waffenausfuhren" (Code of Conduct) vom 08.06.1998. Das Wort "Menschenrechte" tauchte in der alten Version überhaupt nicht auf.
Bereits im Mai 1999 arbeitete die Bundesregierung an einer Neufassung. Am 20. Oktober 1999 löste eine Mehrheitsentscheidung des Bundessicherheitsrates zugunsten der Freigabe eines Testpanzers Leopard A 2 in die Türkei eine Koalitionskrise aus. Der Koalitionsausschuss beschloss daraufhin am 25.10.1999, die Überarbeitung der "Politischen Grundsätze" an den "Vorbereitungsausschuss Bundessicherheitsrat" in Auftrag zu geben und dabei eine Vertreterin / einen Vertreter der beiden Koalitionsfraktionen beizuziehen.
Für die SPD nahm der Stellvertretende Fraktionsvorsitzende Gernot Erler, für die Grünen die Abgeordnete Claudia Roth, Vorsitzende des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe, an der Arbeit des "Vorbereitungsausschusses BSR" teil. In dem Vorbereitungsausschuss sitzen Vertreter von sieben Ministerien: Auswärtiges Amt, Bundesministerium der Verteidigung, Bundesministerium des Inneren, Bundesministerium der Justiz, Bundesministerium der Finanzen und Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie. Unter Leitung von Ministerialdirektor Michael Steiner aus dem Bundeskanzleramt tagte der Vorbereitungsausschuss vier Mal und schloss am 14.12.1999 die Arbeiten an dem neuen Text ab. Das Bundeskabinett nahm die Vorlage am 22.12.1999 ohne Einwände zur Kenntnis und fasste am 19. Januar 2000 einen förmlichen Beschluss, der die neuen "Politischen Grundsätze" gültig machte.
(Der Text der neuen "Politischen Grundsätze" ist ab sofort abrufbar über folgende Internet-Adresse: www.gernot-erler.de)