Kluge Beschränkung auf das Machbare

Zum Abschluss der Reise des Bundeskanzlers in den Nahen Osten erklärt der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion Gernot Erler:

Bundeskanzler Gerhard Schröder hat die bisher schwierigste Reise seiner Kanzlerschaft mit großer Professionalität und der im Orient besonders gebotenen Sensibilität gemeistert. Er hat die Krisenregion Naher Osten, die aufgrund der jahrelangen Balkan-Konflikte in den Hintergrund geraten war, wieder in das deutsche Bewußtsein geholt.

In nur wenigen Tagen hat der Kanzler es geschafft, das etwas brach liegende Feld der Beziehungen mit den arabischen Staaten Ägypten, Jordanien, Libanon und Syrien wieder mit neuem Leben zu erfüllen. In all diesen Ländern könnte die deutsche Rolle im wirtschaftlichen und kulturellen Austausch durchaus stärker sein. Der Kanzler sprach neue Kooperationsmöglichkeiten an und schuf zum Beispiel mit der Schuldenregelung mit Syrien die Grundlage für eine Intensivierung der Beziehungen.

In Israel schrieb Gerhard Schröder in das Erinnerungsbuch in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem: "Ohne Kenntnis der Vergangenheit gibt es keinen Weg in die Zukunft. Dieses Bekenntnis zur historischen Verantwortung der Deutschen und der dadurch besonderen Art der Freundschaft zu Israel ist für deutsche Politiker niemals nur eine Pflichtübung, sondern unverrückbare Konstante deutscher Politik."

Die Kenntnis der Geschichte aber zeigt auch, dass Gewalt dem Frieden zwischen den Völkern niemals dienlich ist. Der zweite Schwerpunkt von Schröders Botschaft im Nahen Osten war deshalb auch sein unermüdliches Eintreten für eine sofortige Beendigung aller Gewalttaten. Dass er diese Mahnung gleichgewichtig an beide Konfliktparteien richtete, ohne sich dabei eine Vermittlerrolle anzumaßen, machte seine Mission auf allen Seiten glaubwürdig. Es mag sein, dass die arabische Seite sich gern etwas mehr Druck Schröders auf Israel gewünscht hätte. Seine Selbstbescheidung aber, nur als Mahner zum Frieden aufzutreten und sich mit Schuldzuweisungen zurückzuhalten, war klug. Damit vermied er es, einerseits unnötige Verstimmungen zu erzeugen und andererseits falsche Erwartungen entstehen zu lassen. Es ist durchaus möglich, dass diese Art einer zurückhaltenden Politik bei gleichzeitiger materieller Hilfe dem seit langem geforderten größeren Gewicht europäischer Politik im Nahen Osten dienlicher ist als vorschnelle Urteile und Forderungen.