Internationale Politik 1999 / 2000 - Eine Bilanz in Stichworten

Die SPD-Bundestagsfraktion legt für die ersten beiden Jahre der Rot-Grünen Regierung eine Bilanz auf dem Arbeitsfeld der Internationalen Politik vor, die sich sehen lassen kann:
· Die Zusammenarbeit mit dem Bundeskanzleramt und den drei zuständigen Ministerien (Außen, Verteidigung, Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) hat, auch in schwierigen Fällen, reibungslos funktioniert.
· Wichtige Veränderungen und Reformen sind in kurzer Zeit auf den Weg gebracht worden.
· Die SPD-Bundestagsfraktion hat in der Internationalen Politik Prioritäten gesetzt und mit eigenen Initiativen im parlamentarischen Raum Profil gewonnen.


I. Zweijahresbilanz in Stichworten

Herausforderungen Kosovo

Kaum gewählt und im Amt hatten Bundesregierung und Fraktion schwerwiegende Entscheidungen über Krieg und Frieden zu fällen. Die SPD-Bundestagsfraktion hat es sich dabei nicht leicht gemacht, ist bei der Herausforderung Kosovo aber zusammengeblieben. Die problematische, von vielen von uns als kaum erträglich empfundene Alternativlosigkeit der Entscheidungslage am 24. März 1999 hat in der SPD vor allem eine Suche nach den richtigen politischen Lehren aus dem Kosovo-Krieg ausgelöst. Dies spiegeln unsere politische Prioritätensetzungen in den Monaten nach der Intervention. (Text 1)

Internationale Friedenssicherung

Unter diesem Titel fasste die Fraktion im Januar 2000 einen Beschluss über ihre politischen Prioritäten, mit detaillierten Einzelschritten für sechs Aufgaben: Beendigung des Krieges im Kaukasus, Realisierung des "Stabilitätspakt für Südosteuropa", Ausbau der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der EU (GASP), europäische Regelung der Rüstungsexporte, Wiederbelebung der Atomaren Abrüstung sowie Stärkung von Krisenprävention und gewaltfreier Konfliktbewältigung. Zum Ausgang des Jahres 2000 konnte dieses detaillierte Arbeitsprogramm in großem Umfang umgesetzt werden - durch Anträge und Beschlüsse im Bundestag, durch Konferenzen und Delegationsreisen und schließlich durch die nachfolgend beschriebenen Schwerpunkt-Initiativen. (Text 2)

Schwerpunkt 1: "Stabilitätspakt für Südosteuropa"

Die SPD-Bundestagsfraktion sieht in dem Stabilitätspakt die wichtigste politische Antwort auf den Kosovo-Krieg. Das Programm des Stabilitätspakts entfaltet seine positive Wirkung über Projekte, die länderübergreifende Kooperationen voraussetzen und dadurch Lern- und Erfahrungsprozesse in regionaler Zusammenarbeit auslösen - die notwendige Alternative zu der traditionellen Feindseligkeit und Abschottung gegenüber den Nachbarn auf dem Balkan. Um die Stabilitätspakt-Aktivitäten zu unterstützen, hat die SPD-Bundestagsfraktion eine eigene ressortübergreifende "Task Force" aus 20 Abgeordneten verschiedener Verantwortungsbereiche gebildet, die eng mit der Bundesregierung und dem Büro des Sonderkoordinators Bodo Hombach in Brüssel zusammenarbeitet. Das Anliegen der "Task Force", in der Praxis des Stabilitätspakts eine parlamentarische Dimension zu etablieren, war erfolgreich: Nicht nur kamen auf zwei von der SPD-Fraktion organisierten Konferenzen in Berlin (Oktober 1999) und Dubrovnik (Juni 2000) Abgeordnete aller Stabilitätspakt-Länder zusammen, sondern inzwischen hat sich auch der "Arbeitstisch 1" des Stabilitätspakts der Entwicklung der parlamentarischen Begleitung der Projekte angenommen. (Text 4)

Schwerpunkt 2: "Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union" (GASP)

Angestoßen von der Kosovo-Erfahrung ist die Entwicklung einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik seit Oktober 1999 (Ernennung von Xavier Solana zum Hohen Repräsentanten / Generalsekretär der GASP) überraschend schnell vorangekommen. Dabei erteilen die Europäischen Gipfel die Aufträge, die in Brüssel dann administrativ umgesetzt werden - von den "Gemeinsamen Strategien" für bestimmte Regionen bis zu den neuen militärischen und zivilen Gremien der GASP. Eine parlamentarische Mitgestaltung und Begleitung ist nicht vorgesehen. Hier wurde die SPD-Bundestagsfraktion mit einer Konferenzserie aktiv, um mit den europäischen Schwesterparteien zunächst einmal eine Grundlagendiskussion über eine künftig zu vergemeinschaftende Außen- und Sicherheitspolitik zu führen. Inzwischen liegt eine Zwischenbilanz nach bisher fünf Konferenzen schriftlich vor, die zusammen mit der Benennung von sechs konkreten Fragestellungen zur weiteren Ausgestaltung der GASP nun die Grundlage für eine Fortsetzung der Diskussion mit unseren europäischen Partnern werden soll.

Schwerpunkt 3: Osterweiterung der Europäischen Union

In einem Gemeinschaftsprojekt mit der Arbeitsgruppe Europa (Sprecher Günter Gloser) und dem für Europa zuständigen Stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Jochen Poß haben wir die Initiative zu einer breitangelegten Aufklärungskampagne in Sachen EU-Osterweiterung ergriffen. Die Kampagne setzt dabei ein Arbeitsprogramm um, das die Fraktion am 28. Juni 2000 beschlossen hat und dessen erklärtes Ziel es ist, einer möglichen populistischen Instrumentalisierung von Sorgen und Ängsten der Menschen im Zusammenhang mit der Osterweiterung schon im Ansatz entgegenzutreten und ihr durch Information und öffentliche Diskussion den Boden zu entziehen. Elemente dieser Kampagne sind Bereisungen der betroffenen Grenzregionen, Veranstaltungen mit Gewerkschaften und Wirtschaft sowie Erarbeitung von Argumentationspapieren und Beiträgen in der öffentlichen Diskussion. Unsere Initiative hat sofort nach ihrem Start ein positives Echo bei Vertretern der Beitrittsstaaten gefunden. Während die CDU / CSU schwankt, ob sie über eine Verzögerungsstrategie neue Wähler mobilisieren kann, verfolgt die SPD-Bundestagsfraktion in dieser Frage einen klaren Kurs, der eine sachliche Auseinandersetzung auch mit den möglichen Risiken der Osterweiterung einschließt. (Texte 5 und 6)

Bundeswehrreform

Beim Regierungswechsel 1998 haben wir Streitkräfte vorgefunden, die in ihrem Umfang, ihrer Struktur, ihrer Ausrüstung, ihrer Ausbildung und ihren Kosten auf die veränderten Herausforderungen nicht vorbereitet und damit nicht zukunftsfähig waren. Nach gründlicher Vorbereitung, zu der die Weizsäcker-Kommission wesentliche Beiträge beleistet hat, konnte eine umfassende Bundeswehrreform auf den Weg gebracht werden. Sie umfasst eine Umstrukturierung und zahlenmäßige Verkleinerung der Bundeswehr, behält eine verkürzte Wehrpflicht bei, steigert die Attraktivität des Dienstes in den Streitkräften, öffnet die Bundeswehr für Frauen und erschließt bisher ungenutzte Potentiale für die künftige Finanzierung der Bundeswehr. Gegen erheblichen Widerstand der Opposition hat die Fraktion in großer Einmütigkeit diese notwendigen und wichtigen Veränderungen unterstützt und der von Rudolf Scharping vorgelegten Reform der Bundeswehr durch Mehrheitsbeschluss im Bundestag den Weg gebahnt. (Text 7)

Rüstungsexport: neue "Politische Grundsätze"

Am 19.1.2000 hat das Bundeskabinett neue "Politische Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern" beschlossen, die zuvor von einer Gruppe von Staatssekretären der beteiligten Ministerien sowie je einem Vertreter der Regierungsfraktionen (für die SPD: Gernot Erler) ausgehandelt worden waren und die bis dahin gültigen Grundsätze vom April 1982 ersetzten. In den neuen Grundsätzen wird die Beachtung von Menschenrechten zu einem wichtigen Kriterium bei Exportgenehmigungen, nachdem in dem alten Text nicht einmal die Vokabel Menschenrechte vorkam. Die Bundesregierung bindet sich in ihren Einzelentscheidungen an den europäischen "Code of Conduct" von 1998, der sehr präzise Kriterien formuliert, sie auf der europäischen Ebene aber nicht verbindlich gemacht hat. Deswegen bleibt es unsere Aufgabe, unter Wahrung der restriktiven deutschen "Politischen Grundsätze" ein europaweit verbindliches Rüstungsexportregime im Rahmen der künftigen GASP aufzubauen. (Text 8)

Entwicklungszusammenarbeit als Friedenspolitik

Die SPD-Bundestagsfraktion hat in enger Zusammenarbeit mit der zuständigen Bundesministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul Initiativen zu einem veränderten Aufgaben- und Funktionsverständnis von Entwicklungspolitik angestoßen und unterstützt. Neben der Außenpolitik, die ihre Handlungsfähigkeit in Sachen ziviler Krisenprävention weiter ausbauen wird, übernimmt die Entwicklungspolitik in zunehmendem Maße genuin friedenspolitische Aufgaben. Nach unserer Auffassung ist eine erfolgreiche Entwicklungszusammenarbeit schon per se präventive Friedenspolitik. In dieser Logik liegt eine Ausweitung der Zuständigkeiten des BMZE, so bei der Entwicklung des zivilen Friedensdienstes oder auch bei einer Entschuldungspolitik, die direkt friedenspolitische Ziele verfolgt ("Kölner Entschuldungsinitiative"). Die neuen konzeptionellen Prioritäten in der Außen- und Entwicklungspolitik, die wir gesetzt haben, spiegeln sich in einigen wichtigen von uns eingebrachten Anträgen und Entschließungen des Deutschen Bundestages wider. (Texte 9 und 10)

Regionale Konzepte: Das Beispiel Afrika

In einem dreisprachig vorgelegten regionalen Grundsatzpapier ("Afrika an der Schwelle zum nächsten Jahrtausend") hat die SPD-Bundestagsfraktion ihre Haltung gegenüber den 48 Staaten Subsahara-Afrikas systematisch und umfassend dargestellt. Das Grundsatzpapier bildet das Fundament für sozialdemokratische Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik gegenüber dieser Region zu Beginn des 21. Jahrhunderts. Es analysiert sowohl die aktuellen Probleme als auch die hoffnungsvollen Entwicklungen in den Ländern südlich der Sahara. Es legt Möglichkeiten zur regionalen Kooperation dar und zeigt auf, wie Deutschland die positiven Trends im Rahmen von EU und UN unterstützen kann. Die zahlreichen positiven Reaktionen aus den betroffenen Ländern zeigen, dass der Aufwand für solche regionalen politischen Orientierungsrahmen lohnt und zur Vertrauensbildung gegenüber unserer internationalen Politik in einer solchen tendenziell von Marginalisierung bedrohten Weltregion beiträgt. (Text 11)

Deutsches Institut für Menschenrechte

Zur Mitte der Legislaturperiode gelingt es, nach gründlich koordinierter Vorarbeit ein wichtiges Versprechen aus der Koalitionsvereinbarung einzulösen und auch in Deutschland eine nationale Menschenrechtsinstitution, wie sie die Vereinten Nationen und der Europarat immer wieder anmahnen, zumindest in einer ausreichenden Erstausstattung ins Leben zu rufen. Für das Konzept dieser unabhängigen, überparteilichen, politisch neutralen und vor allem von Nichtregierungsorganisationen getragenen, zunächst aber vom Bund finanzierten Einrichtung konnten auch die Oppositionsparteien CDU/CSU und FDP gewonnen werden. (Text 12)


II. Texte und Nachweise

Diese Stichwortbilanz verzichtet auf einen umfangreichen Textanhang. Alle für die genannten Stichworte relevanten Dokumente sind bei der SPD-Fraktion erhältlich bzw. bei folgenden Internet-Adressen abrufbar: Texte 1, 5, 6, 7, 8 bei www.gernot-erler.de unter Pressetexte: Internationale Politik/Bundespolitik; Texte 2, 3, 4 bei www.gernot-erler.de unter Veröffentlichungen/online-Texte; Texte 9, 10, 12 im Intranet des Deutschen Bundestages; Text 11 im Intranet der SPD-Fraktion unter "Zur Sache":

Text 1: Der Kosovo-Krieg ein Jahr danach: Rückblick, Bilanz, Lehren, 23.3.2000, 5 S.
Text 2: Internationale Friedenssicherung. Beschluss der SPD-Bundestagsfraktion, 13.1.2000, 10 S.
Text 3: Stabilitätspakt für Südosteuropa. Zwischenbilanz der Task Force der SPD-Bundestagsfraktion. 1.11.2000, 4 S.
Text 4: Die Zukunft der GASP. Sozialdemokratische Perspektiven für die "Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union". Ein Sachstands- und Diskussionspapier der SPD-Bundestagsfraktion. 7.11.2000, 30 S.
Text 5: Positionspapier der SPD-Bundestagsfraktion zur Osterweiterung der Europäischen Union. Vorgelegt von Gernot Erler und Joachim Poß in Zusammenarbeit mit der AG Angelegenheiten der Europäischen Union. 28.6. 2000 (Beschluss), 7 S.
Text 6: Gernot Erler: Stolpersteine auf Europas Weg in die Zukunft, Frankfurter Rundschau, 7.9.2000
Text 7: Bundeswehrreform. Positionspapier der SPD-Bundestagsfraktion. Vorlage für die Fraktionssitzung. 6.6. 2000, 3 S.
Text 8: Die neuen "Politischen Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstiger Rüstungsgüter". 19.1.2000, 8 S.
Text 9: Frieden braucht Entwicklung. Ökologische, soziale, demokratische und friedliche Entwicklung fördern. Entschließungsantrag, 19.5.2000, Drs. 14/3388, 7 S.
Text 10:Förderung der Handlungsfähigkeit zur zivilen Krisenprävention, zivilen Konfliktregelung und Friedenskonsolidierung. Antrag. Drs. 14/3862, 7.7.2000, 9 S.
Text 11:Afrika an der Schwelle zum nächsten Jahrtausend. Grundsätze sozialdemokratischer Afrikapolitik. (Broschüre mit englischer und französischer Übersetzung) Dezember 1999, 80 S.
Text 12:Errichtung eines Deutschen Instituts für Menschenrechte. Antrag. Entwurf, 27.10.2000, 5 S.