Südosteuropa: trotz aktueller Krisen auf dem richtigen Weg

Zu den neuerlichen Krisen auf dem Balkan und den daraus erwachsenden Befürchtungen erklärt der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion Gernot Erler:

Seit einigen Tagen ist Südosteuropa wieder in die Schlagzeilen geraten. Manchmal geradezu reißerisch wird dabei von Teilen der Medien suggeriert, dass wieder neue Kriege auf dem Balkan bevorstehen. Zweifellos sind die Vorfälle an der serbisch-mazedonischen Grenze und auch die neuen Probleme in Bosnien und Herzegowina nicht zu verharmlosen. Viel zu wenig wird aber dabei beachtet, wie besonnen alle Verantwortlichen reagieren, um weitere Eskalationen zu verhindern. Allein dies ist ein großer Fortschritt in der so lange von Konfrontation geprägten Region.

Die neue Aufmerksamkeit für den Balkan auf Grund der aktuellen Krisen gebietet aber auch, einmal ganz nüchtern Bilanz zu ziehen, inwieweit sich die Situation Südosteuropas in den letzten Jahren wirklich qualitativ verändert hat. Dabei muss festgestellt werden, dass es eine Fülle von Einzelfortschritten gibt, die in der Summe als eine grundsätzliche Stabilisierung dieser Region gewertet werden müssen. Dass diese neue Stabilität allerdings nach wie vor durch Irrationalitäten einzelner Akteure gefährdet werden kann, ist leider richtig. Es besteht aber eine berechtigte Hoffnung, dass neue Krisen heute, wenn auch nicht verhinderbar, so doch besser beherrschbar sind und in ihren Auswirkungen daher hoffentlich nicht mehr so katastrophal werden können wie früher.

Südosteuropa ist insgesamt demokratischer und politisch reifer geworden. Es gibt zwar noch fast überall nur sehr kurze Regierungsperioden, der politische Wechsel vollzieht sich aber immer mehr in demokratischen Bahnen. In allen Parlamenten ist eine Entwicklung zu westlich-europäischen Parteienspektren im Gange. Die Zeit der postkommunistischen Diktaturen und autoritärer Systeme ist praktisch überall überwunden. Die Entwicklung der Zivilgesellschaften ist in allen Ländern zu beobachten, wenn auch in unterschiedlicher Geschwindigkeit und Intensität. Alle Länder streben nach der vollen Integration in die euro-atlantischen Strukturen. Der wirtschaftliche Aufbau hat eingesetzt, auch wenn er auf Grund der immensen Transformationsprobleme meist nur sehr langsam vorankommt.

Einen großen Anteil an den positiven Veränderungen haben die Aktivitäten des Stabilitätspaktes. Hierbei sind weniger die konkreten Einzelprojekte gemeint, die natürlich in ihrer Umsetzung Zeit brauchen, als vielmehr die Philosophie des Stabilitätspaktes und der durch ihn eingeführte neue Politikstil der Kooperation.

Der wichtigste Effekt des Stabilitätspaktes ist, dass es gelungen ist, die Länder Südosteuropas mittels der grenzüberschreitenden Quickstartprojekte zur Kooperation zu bewegen. Was in manchen Balkan-Metropolen noch vor eineinhalb Jahren Skepsis und teilweise sogar Ablehnung hervorgerufen hatte, ist heute Normalität geworden. Vielmehr noch, viele Länder schätzen die Vorteile dieses Politikansatzes inzwischen so sehr, dass sie auch unabhängig vom Stabilitätspakt anfangen, eigene bi- oder multilaterale Kooperationsformen auf vielen Gebieten zu entwickeln.

Die Phase der Desintegration Südosteuropas nach dem Ende des Ostblockes und dem Zerfall Jugoslawiens ist damit beendet und macht einer neuen Phase der beginnenden Integration Platz. Insbesondere die Länder, mit denen die EU Beitrittsverhandlungen aufgenommen hat, haben erkannt, dass der Ausgleich und die Kooperation mit ihren Nachbarn nicht EU-schädlich, sondern geradezu Voraussetzung für eine künftige EU-Mitgliedschaft ist. An diesem grundsätzlichen Trend werden kurzfristig weiter auftretende Probleme wie die aktuellen Krisen nichts ändern können.

Heute kann somit eindeutig festgestellt werden, dass der Stabilitätspakt, der von Bundeskanzler Schröder und Außenminister Fischer auf dem Kölner Gipfel einem eher skeptischen Europa fast aufgedrängt wurde, inzwischen zu einem großen Erfolg geworden ist. Dies zeigte insbesondere das gute Ergebnis der ersten Finanzierungskonferenz. Der Stabilitätspakt wird längst allseits anerkannt, die Arbeit des Koordinators Bodo Hombach und seines Teams erfreut sich großer Achtung. Es ist nicht übertrieben, festzustellen, dass der Stabilitätspakt mittlerweile zu dem Hauptinstrument der europäischen Balkan-Politik geworden ist.

Die SPD-Fraktion hat schon 1999 eine eigene "Task-Force Stabilitätspakt" eingerichtet. Darin arbeitet sie eng mit dem Stabilitätspakt-Büro in Brüssel zusammen und hat bereits zwei internationale Parlamentarierkonferenzen zur parlamentarischen Begleitung des Stabilitätspaktes ausgerichtet. Diese wichtige Arbeit zur Einbeziehung der nationalen Parlamente wird auch in diesem Jahr fortgesetzt werden.