Slobodan Milosevic in Den Haag: Erste Lehren

Zur Auslieferung Milosevics erklären der Stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagfraktion, Gernot Erler, und der Sprecher der Arbeitsgruppe Außenpolitik, Prof. Gert Weisskirchen:

Milosevic in Den Haag! Auf diese Meldung musste die Welt lange warten. Die allgemeine Genugtuung darüber ist daher verständlich. Nun aber ist es auch an der Zeit, darüber nachzudenken, wie in der Zukunft derartige Konflikte von vornherein besser zu lösen sind.

Die Überstellung Milosevics an den "Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien" stellt zweifellos ein Meilenstein in der Entwicklung des internationalen Strafrechtes dar. Die Welt ist dem alten Traum von einer funktionierenden weltweit gültigen Gerichtsbarkeit damit einen großen Schritt näher gekommen. Lange Zeit wurde kritisiert, dass das UN-Tribunal eigentlich leider nur die Möglichkeit hätte, die "kleinen Fische" zu fangen und abzuurteilen. Mit Milosevic wird nun erstmals seit den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen ein geistiger Vater unsäglicher Verbrechen und sogar ein ehemaliges Staatsoberhaupt vor Gericht gestellt. Dies ist ganz eindeutig ein Warnsignal an alle Diktatoren und sonstigen Politiker, die Verbrechen gegen die Menschlichkeit zur Durchsetzung ihrer Machtinteressen benutzen. Von nun an kann sich keiner dieser Leute mehr sicher fühlen.

Die serbische Regierung unter Zoran Djindjic hat großen Mut bewiesen und ihr gebührt dafür Dank und Anerkennung. Natürlich spielte auch die Aussicht auf die versprochenen finanziellen Hilfen eine Rolle, dies aber ist legitim und sollte bei der Bewertung nicht das einzige Kriterium sein. Was bleibt, ist die Tatsache, dass die Regierung Djindjic das Völkerrecht über die nationale Gerichtsbarkeit gestellt hat. Dies zeigt, das die Führung des Landes wieder in Europa angekommen ist und bereit ist, auch unpopuläre Maßnahmen durchzusetzen. Die erfreuliche Tatsache, dass die Proteste der Milosevic-Anhänger sich in Grenzen hielten, zeigt weiterhin, dass auch das serbische Volk dabei ist, sich endgültig aus der Abhängigkeit von diesem diktatorischen Verführer zu befreien. Dies eröffnet nicht nur die Chance zur Normalisierung mit den Nachbarn, sondern auch zur Versöhnung nach innen.

Das jetzt beginnende Gerichtsverfahren gegen den langjährigen Führer der Serben und ehemaligen jugoslawischen Präsidenten muss auch der internationalen Politik zu denken geben. Schließlich ist es erst wenige Jahre her, dass Milosevic in Dayton in allen Ehren mit darüber verhandeln durfte, wie die eigentlich überwiegend von ihm initiierten Probleme in Bosnien und Herzegowina gelöst werden können. Wes Geistes Kind er ist und für welche Verbrechen er mitverantwortlich war, war auch damals schon bekannt. Der Pragmatismus der damaligen internationalen Politik mutet daher heute eher gespenstisch an. Zumindest muss die Frage erlaubt sein, ob man es sich nicht etwas zu leicht gemacht hat. Die Lehre für die Zukunft kann nur sein, künftig in internationalen Konfliktsituationen viel kritischer hinzusehen, wo die Verantwortlichkeiten wirklich liegen. Der weltweit das Zusammenleben der Völker zerstörende Nationalismus ist der eigentliche Feind. Er muss überall von Anfang an bekämpft werden, egal ob er in Form terroristischer Guerilla oder gewählter Staatsorgane auftritt.

29. Juni 2001