Außenpolitische Leitsätze der CDU: nicht wirklich neu!

Zu den heute von der CDU vorgelegten "Leitsätzen für eine aktivere Außen- und Sicherheitspolitik" erklärt der Stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion Gernot Erler:

Wer geglaubt hat, die CDU würde keine drei Wochen nach dem 11. September erste Thesen dazu wagen, was sich nach diesem globalen Schockerlebnis alles ändern muss und ändern wird, der wird enttäuscht. Das außen- und sicherheitspolitische Diskussionspapier war offenbar schon vor den Anschlägen von Washington und New York fertig und wurde danach noch durch einige zusätzliche Sätze zur weltweiten Terrorismusbekämpfung ergänzt. Volker Rühes Leitsätze enthalten nichts wirklich Neues.

Im Vordergrund steht das Postulat: mehr Transatlantisches. Konkret erfährt man aber nicht, was eine neue "Atlantische Charta" erreichen soll. Und auch bei den Kürzeln für Eingeweihte wie NTA ("Neue Transatlantische Agenda") und TEP ("Transatlantische Wirtschaftspartnerschaft") bleibt es bei den Überschriften. Irgendwelche Streitpunkte zwischen Europäern und Amerikanern, von Genmais bis zur Todesstrafe, scheinen für die Christdemokraten gar nicht zu existieren.

Handfester wird es da bei der Sicherheitspolitik: Mehr Soldaten und mehr Geld für die Bundeswehr (50 Mrd. DM), mehr Mitglieder in die NATO (im Herbst 2002 sollen Slowenen, Slowaken, Bulgaren und Rumänen eingeladen werden, die Balten erst später) und - auch nicht neu - ein eigener europäischer Beitrag zur Raketenabwehr (AMD). Für Entwicklungspolitik soll Deutschland zukünftig 0,7 Prozent des Bruttosozialprodukts ausgeben. Einen Finanzierungsvorschlag für all diese Milliardenausgaben sucht man vergebens.

Die Leitsätze enthalten auch Aussagen, die Gemeinsamkeiten ermöglichen. Das Bekenntnis zur EU-Osterweiterung als "wichtigster Beitrag, den Europa zur Stabilisierung der Welt leisten kann", erstaunt in dieser Festigkeit nach all den Diskussionen, die es darüber in der Union gab. Die Koalitionsparteien denken schon länger darüber nach, wie "differenzierte Strategien der kontrolliertren Durchlässigkeit" bei den künftigen Außengrenzen der EU aussehen könnten. Und die Stichworte zu einer "gesellschaftlichen Außenpolitik" lassen sich ausbauen.

Was das Papier zur Terrorbekämpfung zu bieten hat, geht über Stereotype nicht hinaus. Niemand kann dem Ansatz widersprechen, an die Quellen des Hasses heranzugehen. Aber es reicht nicht, der Erziehung der Jugend im Nahen Osten zu Hass und Fanatismus entgegenzutreten. Die CDU entdeckt zwar das globale Problem der Trinkwasserverknappung, sieht aber offenbar keine Deformationen und Fehlentwicklungen in einer Weltordnung, die den Abstand zwischen Arm und Reich, zwischen Macht und Ohnmacht immer größer werden lässt. Darüber wird man reden müssen.

Nach dem 11. September haben sich die Perspektiven der internationalen Politik so verschoben, dass sich zahlreiche Einzelaussagen der CDU-Leitsätze wie Nachsichten aus der Welt von gestern lesen. Man fragt sich, warum dies Papier gerade jetzt der Öffentlichkeit präsentiert werden musste.

28. September 2001