Presseerklärung vom 28. August 2002

Irak: Cheneys Argumente wenig überzeugend

Zu den Äußerungen des amerikanischen Vizepräsidenten Cheney über die Notwendigkeit eines Präventivschlags gegen das Regime von Saddam Hussein erklärt der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Gernot Erler:

Dick Cheneys Rede kam zu einem Zeitpunkt, als sich innerhalb der USA immer mehr Kritiker eines militärischen Vorgehens gegenüber dem Irak zu Wort meldeten. Anerkannte Persönlichkeiten, wie der ehemalige Außenminister Baker und der ehemalige Sicherheitsberater Scowcroft, haben in den vergangenen Tagen vor übereilten Schritten und den negativen Folgen eines Alleingangs der USA gewarnt. Die Zustimmung für einen Militärschlag in der amerikanischen Bevölkerung ist auf einen Tiefpunkt gesunken.

Cheneys Plädoyer für eine Präventivschlag ist der Versuch, die amerikanische Regierung in dieser Frage wieder in die Offensive zu bringen. Allerdings blieb Cheney seinem Publikum genau das schuldig, was die Kritiker seit langem einfordern: Erstens gibt es keine Hinweise auf eine Verbindung des irakischen Regimes zu dem Terrornetzwerk Al Quaida, die eine Militäroperation rechtfertigen könnte. Zweitens fehlen bislang verwertbare Erkenntnisse über das irakische Bestreben nach Massenvernichtungswaffen. Diese Erkenntnisse zu bekommen, ist ja genau das Ziel, das die UN mit der Wiedereinsetzung der Waffeninspektoren verfolgt.

Wenn die US-Regierung jetzt von diesem Ziel abweicht und einen Strategiewechsel vornimmt, in dem sie einen Sturz Saddams um jeden Preis fordert, selbst für den Fall, dass Bagdad die Inspektoren wieder ins Land ließe, untergräbt Washington damit den über Monate aufgebauten politischen Druck fahrlässig: Dass der irakische Diktator keine ausländischen Beobachter ins Land lässt, wenn er ohnehin davon ausgehen muss, dass er in wenigen Monaten beseitigt werden soll, versteht sich von selbst.

Es ist Washington, und nicht Europa, das sich in dieser Frage von einer gemeinsamen Haltung verabschiedet. Dem Ziel, Saddam in die Schranken zu weisen, ist man dadurch leider keinen Schritt näher gekommen.