taz-Interview vom 4. Februar 2005

Was passiert, wenn die iranische Opposition Bush um Hilfe bittet?

Der SPD-Politiker Gernot Erler hält die Aufforderung des US-Präsidenten zum Aufstand im Iran für gefährlich. Hoffnung macht ihm aber Bushs nach Europa "ausgestreckte Hand"

taz: Herr Erler, Sie haben sich Mitte Januar nach den US-Drohungen mit einem Militärschlag gegen den Iran sehr besorgt geäußert. Hat Sie Präsident Bush mit seiner Rede zur Lage der Nation beruhigt?

Gernot Erler: Das kann ich so nicht sagen. Einerseits sehe ich das Bemühen Bushs, auch Formulierungen zu finden, die positive Wirkungen haben. Dazu gehört, dass er den diplomatischen Bemühungen, den Iran von der Entwicklung von Atomwaffen abzuhalten, ausdrücklich Erfolg gewünscht hat. Andererseits gab es auch Passagen in der Rede, vor allem Bushs Aufforderung an die iranische Bevölkerung, gegen die Ajatollahs aufzustehen, die mich nach wie vor beunruhigen.

taz: Was spricht dagegen, die Opposition gegen das Mullah-Regime in Teheran zu ermutigen?

Gernot Erler: Das Problematische ist, dass Bushs Appell verbunden ist mit dem Versprechen amerikanischer Unterstützung. Was würde denn passieren, wenn die Opposition im Iran tatsächlich einen Aufstand macht und die USA um Hilfe ruft?

taz: Sagen Sie es uns.

Gernot Erler: Dann wäre, nach Bushs gestrigem Hilfsangebot, die Glaubwürdigkeit Amerikas in Frage gestellt - und die Gefahr einer militärischen Intervention stünde auf der Tagesordnung.

taz: Heute kommt erst einmal die neue US-Außenministerin Condoleezza Rice nach Berlin. Was versprechen Sie sich von diesem Besuch?

Gernot Erler: Ich hoffe, dass es dem Bundeskanzler gelingt, Frau Rice für eine stärkere Unterstützung der Anstrengungen Frankreichs, Großbritanniens und Deutschlands für eine diplomatische Lösung in der Iran-Frage zu gewinnen und die Andeutungen, die Bush in diese Richtung gemacht hat, etwas zu konkretisieren.

taz: Gibt es überhaupt eine reale Chance für eine gemeinsame Position der EU und der USA? Im Moment klingt doch vieles eher nach einem Déjà-vu der Unstimmigkeit. Wie im Fall Irak hat sich Schröder klar gegen jedes militärische Eingreifen im Iran ausgesprochen, Bush schließt es nicht aus.

Gernot Erler: Ich glaube, dass die Chancen, zu mehr Gemeinsamkeit in der Iran-Frage zu kommen, mit den beiden Besuchen, dem von Frau Rice heute und dem von Präsident Bush in drei Wochen, wachsen werden, weil sie eine Chance bieten, wieder verstärkt auf die gemeinsamen Interessen hinzuweisen, die wir, die USA ebenso wie Europa, in der ganzen Nahost-Region insgesamt haben. Dabei spielt natürlich die jüngste, positive Entwicklung zwischen Israel und Palästina eine zentrale Rolle. Ich hoffe jedenfalls, dass wir durch einen breiteren Ansatz von der Fokussierung auf den Iran wegkommen.

taz: Der CDU reicht das nicht aus. Wolfgang Schäuble hat gerade gefordert, der Kanzler müsse das gesamte deutsch-amerikanische Verhältnis "reparieren".

Gernot Erler: Das ist nicht nötig. Die Bundesregierung und die US-Regierung haben sich inzwischen mehrmals gegenseitig Respekt, Anerkennung und Bereitschaft zur Verständigung bekundet. Dafür war nicht zuletzt auch die überraschende Begegnung von Präsident Bush mit Otto Schily ein klares Zeichen. Diese freundliche Geste zeigt erneut, dass wir uns näher gekommen sind.

taz: Ihr Koalitionspartner ist da offenbar etwas skeptischer. Der außenpolitische Sprecher der Grünen, Ludger Volmer, hat erklärt, Bush habe "die Chance nicht ergriffen, sich der internationalen Staatengemeinschaft wieder anzunähern".

Gernot Erler: Ich will Äußerungen von grünen Kollegen nicht kommentieren. Aber ich glaube, dass eine Analyse von Bushs Rede sein Bemühen deutlich macht, die Hand nach Europa auszustrecken, und es ist nie klug, eine ausgestreckte Hand zu übersehen.

INTERVIEW: LUKAS WALLRAFF