Presseerklärung vom 16. Februar 2005

SPD: Kein Frieden in Nahost ohne einen stabilen und unabhängigen Libanon

Zur Ermordung des früheren libanesischen Ministerpräsidenten Rafik Hariri erklärt der Stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Gernot Erler:

Über ein Jahrzehnt hat die Welt geglaubt -aber in Wirklichkeit sich wohl nur eingebildet-, dass der Libanon endlich befriedet wäre. Und nun dieses Attentat, das alle Merkmale für ein Wiederaufflackern der irrationalen Gewalt in sich trägt, die dieses Land in einem über 10-jährigen Bürgerkrieg in den 70er und 80er Jahren bis an den Rand des Abgrundes gebracht hatte. Es steht zu befürchten, dass die Vergangenheit den Libanon wieder eingeholt hat.

Wer je den gerade gewählten libanesischen Ministerpräsidenten Rafik Hariri Anfang der 90er Jahre bei der Präsentation seiner Pläne life erlebt hat, wird diesen vor Energie sprühenden Mann wohl nie vergessen. Saudische Großmannssucht und Hybris gehörten zu den abfälligen Kommentaren, die ihn am Anfang, vor allem aus dem Ausland, begleiteten. Eine Mehrheit des sonst so zerrissenen libanesischen Volkes aber vertraute ihm, der kein „warlord" war und den Menschen wieder eine Hoffnung auf einen friedlichen Libanon gab.

Fakt ist heute, dass die Pläne von Hariri zum größten Teil Wirklichkeit geworden sind. Und dies ist eine Wirklichkeit, die ihresgleichen sucht. Wie Phönix aus der Asche ist der Libanon aus seinen Trümmern auferstanden, und Beirut kann heute wieder als das geistige, kulturelle und ökonomische Zentrum der Levante angesehen werden. Und dieses nahöstliche Wirtschaftwunder erfolgte ohne Marshallplan-Milliarden und brauchte keine Jahrzehnte, sondern nur wenige Jahre.

Natürlich erfolgte dieser Bauboom nicht nach deutschen Ausschreibungsnormen und schon gar nicht nach sozialdemokratischen Vorstellungen von sozialverträglichem Städtebau. Und natürlich haben sich viele dabei unsäglich bereichert, Hariri dabei nicht ausgenommen. Unterm Strich aber bleibt, dass es in der neueren Weltgeschichte wohl keine Wiederaufbauleistung von solchen Dimensionen gegeben hat, die zu einem überwiegenden Teil den Ideen, der Initiative und der Durchsetzungskraft eines einzelnen Mannes geschuldet ist. In diesem Sinne hat sich Rafik Hariri -wie viele Schwächen und Fehler er auch sonst gehabt haben mag- um sein Vaterland Libanon verdient gemacht. Der Mord an Hariri ist nicht nur ein tragischer Verlust für seine Familie und den Libanon, sondern für die arabische Welt insgesamt, in der es viel zu wenige weitsichtige und dynamische Unternehmerpersönlichkeiten wie Hariri gibt.


Hariri war jedoch mehr als ein Milliardär, der geschickt nützliche Politik mit Selbstbereicherung verband. Nicht nur deshalb wurde er "Mister Libanon" genannt, sondern in den letzten Jahren immer mehr auch deswegen, weil er mutig und beständig wie nur wenige aus der politischen Klasse für die Souveränität des Libanon eintrat. Sein Rückzug im letzten Jahr erfolgte vor allem aufgrund seiner zunehmenden Probleme mit der von Syrien abhängigen Politikerklasse des Landes. Im beginnenden Wahlkampf gehörte er mit dem maronitischen Patriarchen und dem Drusenführer Joumblatt zu den prominentesten Kritikern der andauernden syrischen Besatzung.

Das gestrige Attentat hat sein zu erwartendes Comeback nun verhindert. Es hat die Welt aber insbesondere daran erinnert, dass der Libanon nach wie vor eine tickende Bombe ist und somit eine potenzielle Gefahr für die Friedensinitiativen im Nahen Osten. Die Bemühungen im Weltsicherheitsrat, die Stabilität und Souveränität des Libanon zu schützen, sind daher richtig und werden von der SPD weiterhin unterstützt.