Presseerklärung vom 25. Februar 2005

Deutschland verliert einen großen Außenpolitiker

Zum Tod von Hans-Jürgen Wischnewski erklärt der Stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Gernot Erler:

Die SPD trauert um Hans-Jürgen Wischnewski. Deutschland hat mit ihm einen großen Menschen und einen über alle Parteigrenzen hinweg geachteten Politiker verloren. Hans-Jürgen Wischnewski hatte in seinem langen Politikerleben viele unterschiedliche Funktionen. Wie wenige Politiker strahlte er eine Ruhe und Sachlichkeit aus, die ihm zusammen mit seiner menschlichen Art großes Vertrauen bei den Menschen einbrachte. Ich möchte an dieser Stelle insbesondere seine internationalen Verdienste würdigen:

Hans-Jürgen Wischnewski war der erste sozialdemokratische Entwicklungshilfe-Minister. Er war es, der diesem damals noch sehr neuen Politikfeld internationaler Solidarität wichtige Impulse gab. Als Staatsminister im Bundeskanzleramt war er unter Helmut Schmidt einer der Wegbereiter der deutsch-deutschen Annäherung. Seine Hauptleidenschaft jedoch galt sein ganzes Leben der Außenpolitik, sein Arbeitsfeld war die Welt, seine Einsatzgebiete internationale Krisen auf allen Kontinenten.

In Deutschland verbindet sich der Name Wischnewski vor allem mit der spektakulären Geiselbefreiung von Mogadischu. Ihm selbst jedoch war die eher stille und oft sehr langwierige Arbeit der Konfliktbewältigung viel wichtiger. Sein unermüdlicher Einsatz, in unterschiedlichsten internationalen Konflikten zu vermitteln, hat nicht nur ihm selbst, sondern auch Deutschland weltweit großes Ansehen verschafft.

Es ist wohl nicht übertrieben, festzustellen, dass Hans-Jürgen Wischnewski insbesondere in seinen regionalen Arbeitsschwerpunkten, im Maghreb, im Nahen Osten und in Mittelamerika über lange Zeiträume als der wichtigste Deutsche und als ein wirklicher Freund gesehen wurde.

Sein mutiges Engagement als junger Politiker für den Befreiungskrieg in Algerien ist bis heute in ganz Nordafrika unvergessen. Der ihm von Willy Brandt freundschaftlich verliehene Spitzname "Ben Wisch" ist in der arabischen Welt schnell zu einem Ehrennamen geworden.

Ein unermüdlicher Reisender in Sachen Versöhnung war Hans-Jürgen Wischnewski auch in Mittelamerika. Jahrelang vermittelte er in den Bemühungen zur Befriedung verschiedener Bürgerkriege, insbesondere in Nicaragua und El Salvador. Auch in dieser Region gelang ihm mehrfach die Rettung entführter Menschen.

Sein zehnjähriges Wirken als Vorsitzender des Nahostkomitees der Sozialistischen Internationale hatte viele fruchtbare Auswirkungen. Kein anderer Deutscher der jüngeren Zeitgeschichte genießt seither in diesem Teil der Welt mehr Vertrauen. Seine besondere Leistung war es dabei, sich nicht nur für die Araber einzusetzen, sondern dabei immer auch offen für das Existenzrecht Israels einzustehen. Er war ein von beiden Seiten anerkannter "ehrlicher Makler", der niemandem nach dem Mund redete und ebenso offen die israelische Besatzungspolitik kritisierte wie den palästinensischen Terror. Mit Recht kann behauptet werden, dass die Grundlagen für den Oslo-Prozess zu einem wichtigen Teil in den Dialogprozessen geschaffen wurden, die Hans-Jürgen Wischnewski schon sehr früh und über viele Jahre zwischen Arabern und Israelis organisiert hat.

Nicht nur die SPD, Deutschland insgesamt hat mit Hans-Jürgen Wischnewski einen der profiliertesten Außenpolitiker der Nachkriegszeit verloren. Er hat zur Wiedergewinnung der Akzeptanz Deutschlands in der Welt maßgeblich mit beigetragen und sich damit im besten Sinne um sein Vaterland verdient gemacht.