Presseerklärung vom 2. März 2005

SPD fordert eine Normalisierung des libanesisch-syrischen Verhältnisses

Zum Rücktritt der libanesischen Regierung und den Entwicklungen im syrisch-libanesischen Verhältnis erklärt der Stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Gernot Erler:

Dass allein der politische Druck der Opposition im Libanon die pro-syrische Regierung ohne Gewaltanwendung zum Rücktritt gezwungen hat, ist ein erfreuliches Signal aus einem Land, das in der Vergangenheit überwiegend durch Meldungen über Gewalttätigkeiten bekannt geworden ist. Damit hat sich der Libanon nach der langen Agonie der Nachbürgerkriegszeit wieder auf der politischen Bühne des Nahen Ostens zurückgemeldet.

Der Mord an dem früheren Premierminister Rafiq Hariri hat nun nicht -wie viele befürchteten- eine neue Runde der Gewalt eingeläutet, sondern gewann eine politische Katalysatorfunktion, die die bisher eher gelähmte Opposition zu einer machtvollen Bewegung werden ließ. Der Rücktritt der pro-syrischen Regierung und die darauf folgende Erklärung des syrischen Präsidenten, er werde in Kürze die syrischen Truppen aus dem Libanon abziehen, haben dem Libanon ein großes "window of opportunity" geöffnet. Nun wird es darauf ankommen, wie diese vielversprechende Situation genutzt werden wird.

Der prominente Oppositionspolitiker und Führer der Drusen, Walid Joumblatt, hat Recht, wenn er fordert, dass eine Lösung gefunden werden muss, die den Syrern einen ehrenvollen Abzug erlaubt und dass gutnachbarschaftliche Beziehungen mit Syrien angestrebt werden müssen. Es sollte nicht vergessen werden, dass der Libanon nach dem Bürgerkrieg nur mit Hilfe Syriens wieder stabilisiert werden konnte. Allerdings erfolgte dies um den Preis einer unfreiwilligen Aufgabe der eigenen Souveränität und einer weitgehenden Beherrschung des Libanons durch die syrische Besatzungsmacht. Ein syrischer Rückzug, der nach dem Taif-Abkommen spätestens seit der israelischen Räumung des Südlibanons überfällig ist, ist aber nur glaubwürdig, wenn nicht nur die syrischen Soldaten, sondern auch die das Land noch mehr beherrschenden syrischen Geheimdienste den Libanon verlassen.

Ein syrischer Totalabzug sowie die Einstellung der bisherigen massiven Einflussnahme auf das libanesische politische Leben werden die Kriterien sein, an denen die Führung in Damaskus in der nächsten Zeit gemessen wird. Die Regierung von Bashar al Assad hat es somit weitgehend selbst in der Hand, wie schnell sich die internationale Kritik an Syrien in die Chance einer Normalisierung verwandeln kann.

Im Libanon wird es darauf ankommen, dass nun schnell auf demokratischem Wege eine neue und von Syrien unabhängige Regierung gewählt werden wird, die das Momentum der derzeitigen nationalen Einigkeit zu einer positiven Politik nutzen kann. Nur dann wird der Libanon auch die Freiheit gewinnen, sein Verhältnis zu allen Nachbarn einschließlich Israels zu normalisieren und damit wieder eine wichtige Rolle als "Schweiz der Orients" im Nahen Osten spielen zu können.