Presseerklärung vom 19. Juli 2005

Frau Merkel an der Seine

Zum heutigen Paris-Besuch der CDU/CSU-Kanzlerkandidatin erklärt der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Gernot Erler:

Wenn die Kamera eine Frau Merkel filmt, wie sie in Paris aus dem Flugzeug steigt, denken die Leute, es gibt eine CDU/CSU-Außenpolitik. Deswegen macht sie die Reise.

Wenn Außenpolitik-Sprecher Pflüger zur Vorbereitung auch noch einen Figaro-Artikel beisteuert, verdichtet sich der Eindruck, dass da wirklich was sein muss. Deswegen schreibt er ihn.

Aber es ist einfach nichts da. Es sei denn, man lässt einen Rummelplatz als Welttheater gelten. Denn über ihre Hau-den-Lukas-Reflexe ist die Merkel-Truppe in der Außenpolitik noch nicht hinausgekommen.

Pflüger findet, seine Chefin sollte Präsident Chirac mal klar machen, dass die Achse Paris-Berlin-Moskau nicht mehr läuft. Oder wenn doch, dann aber nicht mit diesen "Gesten der Bevormundung und Dominanz" gegenüber den Kleinen in Europa und schon gar nicht irgendwie gegen Amerika.

Genauso muss man Chirac rannehmen, wenn der deutsch-französische Motor wieder ans Laufen kommen soll. Wahrscheinlich hat der Elysée längst vergessen, dass diese Achse von der CDU/CSU erfunden wurde, um bei der Irak-Kriegs-Frage ein bisschen aus der Defensive zu kommen. Bestimmt lächelt der französische Präsident höflich, wenn es zu dieser Aufforderung kommt: Warum soll er nicht Bereitschaft zeigen, eine Achse aufzugeben, die es außer in der CDU-Polemik nie gegeben hat?

Aber es wird noch härter kommen: Frau Merkel hat noch was im Gepäck - die privilegierte Partnerschaft für die Türkei. Da wird dann ein anderer strahlen, nämlich Chiracs Rivale, Nicolas Sarkozy, der mit diesem Thema sowieso dauernd seinen Präsidenten nervt.

Pflüger hat ganz vergessen, dass man noch die neue Achse Merkel-Blair gegen die unverschämten Agrarsubventionsansprüche der Franzosen ansprechen könnte. Aber soviel Beweis für ein klares CDU/CSU-Außenpolitik-Konzept, das hinter diesem Trip an die Seine hervorlugt, wäre dann vielleicht doch zuviel gewesen.