Presseerklärung vom 1. August 2005

CDU-Außenpolitik: Rolle rückwärts offen angesagt

Zur Bilanz des USA-Besuchs von CDU-Fraktionsvize Wolfgang Schäuble erklärt der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Gernot Erler:

Jetzt hat es jeder verstanden: Angela Merkel hat aus wahltaktischen Gründen die Tradition gebrochen, als Kanzlerkandidatin die wichtigsten Partnerhauptstädte zu besuchen und stattdessen Schäuble als Ersatz-Merkel geschickt. Angeblich war keine Zeit für das so wichtige Washington. Bayreuth war wichtiger, eben Hügel statt Hill. Und diese Präferenz hat ihr Ziel erreicht: Es gibt keine neuen Bilder Bush-Merkel, die an die peinliche Anbiederung in Sachen Irak-Krieg von 2002 erinnern könnten.

Die Besuchs-Bilanz ist so aber noch nicht vollständig. Wie erwartet, ist Wolfgang Schäuble dem deutschen Bemühen um eine Erweiterung des UN-Sicherheitsrats auch in Washington mit seiner Kritik in den Rücken gefallen. Aber er lässt uns doch aufatmen: Sollte der G4-Vorschlag die nötige Mehrheit erhalten, will eine künftige CDU/CSU-geführte Bundesregierung den Sitz annehmen und behalten. Das nennt man Großmut.

Übermut ist die Schwester der Großmut. "Bild" sieht in Schäuble nach seiner 45-Minuten-Audienz im Oval Office schon den neuen Außenminister. Prompt ziehen Westerwelle und Gerhardt bundesweit sichtbar die Augenbrauen hoch. Sie sollen entweder den Job ganz Schäuble überlassen oder akzeptieren, dass die wichtige Europapolitik Merkelsache im Kanzleramt wird. Alle ziehen schon am Fell des Bären, der es noch munter durch die Wälder trägt.

Das darf aber nicht ablenken von den dürren und doch so symptomatischen Botschaften, die Wolfgang Schäuble transatlantisch deponiert hat. Das "Zurück zur Politik von vor 2002" - als übrigens auch schon vier Jahre Rot-Grün regierte - verrät viel. Diese Parole beweist einmal mehr, wie wenig die CDU das Irak-Kriegs-Trauma verwunden hat. Aber eben auch, dass eine Merkel-geführte Bundesregierung mit ihrer "besseren Politik" für das transatlantische Verhältnis, mit ihrer Ablehnung einer eigenen europäischen Politik und den Bitten um eine starke US-Führung die Rolle rückwärts meint.

In der EU gab es ja nicht nur das "Nein" zu dem Interventions-Krieg, sondern auch ein deutliches "Ja" zur Übernahme von globaler Verantwortung. Priorität hat eine für präventive mit Friedenspolitik, Konfliktlösung über Verhandlungen ,sichtbar an den diplomatischen Bemühungen von Deutschland, Frankreich und Großbritannien im Iran-Konflikt und dem verstärkten Engagement für eine gerechtere Weltordnung. Alles wurde verbindlich vereinbart in der gemeinsamen EU-Strategie "Ein sicheres Europa in einer besseren Welt" vom 12. Dezember 2003. Die Unterschiede dieser EU-Politik zur Politik von George W. Bush und seiner "Nationalen Sicherheits-Strategie" vom September 2002 lassen sich nicht mit dem verbalen Staubwedel beseitigen. Sie sollten zum Gegenstand eines ernsthaften und verbindlichen transatlantischen Strategie-Dialogs gemacht werden, wie ihn Bundeskanzler Gerhard Schröder im Februar dieses Jahres vorgeschlagen hat.

Merkel und Schäuble wollen von dieser europäischen Entwicklung zu mehr Eigenverantwortung und Mündigkeit der letzten Jahre nichts wissen, sie wollen zurück zum kuscheligen Gefolgschaftsprinzip. Nichts anderes steckt hinter der Ankündigung, alles soll wieder so schön werden wie vor 2002.