Presseerklärung vom 14. September 2005

Türkei: CDU-Kampagne gefährdet Friedenswirkung der EU-Integrationspolitik

Türkei: CDU-Kampagne gefährdet Friedenswirkung der EU-Integrationspolitik

Zu Versuchen von Unionskanzlerkandidatin Angela Merkel und ihres außenpolitischen Beraters Wolfgang Schäuble, in der Schlussphase des Wahlkampfs das Thema Türkei hochzuspielen, erklärt Gernot Erler, Stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion:

Mit dem Näherrücken des Wahltermins und dem Absacken ihrer Umfragen ist der CDU/CSU offenbar jedes Mittel recht, um von den eigenen Problemen abzulenken. Frau Merkels Attacken gegen einen möglichen EU-Beitritt der Türkei sind weder neu noch originell. Ihre Option einer „privilegierten Partnerschaft" ist bis heute ein Konstrukt, von dem sie wahrscheinlich nicht einmal selbst genau weiß, was sich dahinter verbirgt. Einen der kompetentesten Außenpolitiker der Union, Volker Rühe, hat sie damit bereits vergrault: Er kandidiert nicht mehr für den Bundestag, weil er gegenwärtig keine Chance sieht, dass sich die vernunftbegabten Kräfte innerhalb der Union gerade auch in der Türkei-Frage durchsetzen.

Ein anderer Außenpolitiker aus der Union, Wolfgang Schäuble, dreht derweil politische Pirouetten rund um das Thema Türkei. Vor wenigen Wochen erklärte er noch, dass das Thema der EU-Verhandlungsaufnahme der Türkei nicht zum Streitthema des Wahlkampfs gemacht werden solle. Auch eine EU-Mitgliedschaft der Türkei schloss Schäuble nicht kategorisch aus, indem er erklärte, die Verhandlungen müssten ergebnisoffen geführt werden, was ja wohl nichts anderes bedeutet, als dass am Ende auch eine Mitgliedschaft infrage kommt. Für einen Unionspolitiker sind das mutige und anerkennenswerte Worte.

Doch wenige Tage vor der Wahl will sich Schäuble daran nicht mehr erinnern und attackiert den Bundeskanzler, er wolle ganz Europa zum Versuchskaninchen machen und den Zusammenhalt Europas gefährden. Dabei sind es Frau Merkel und ihre Mitstreiter, die etwas gefährden: die Verlässlichkeit der EU und die damit zusammenhängende Friedenswirkung der gesamten europäischen Integrationspolitik.

Der Preis ist hoch: Nur weil die Umfragewerte nicht stimmen, kommt jetzt doch noch die Anti-Türkei-Kampagne mit ihrer Ausgrenzungswirkung und ihrer friedensgefährdenden Infragestellung der einstimmig in der EU beschlossenen Verhandlungszusage.