Presseerklärung vom 5. Oktober 2005

SPD begrüßt Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit Türkei und Kroatien

Zum Beginn der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei und der Entscheidung der EU, bald auch mit Kroatien Beitrittsverhandlungen zu beginnen, erklärt der Stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende und Präsident der Südosteuropa-Gesellschaft Gernot Erler:

Nach langem Hin und Her ist der 3. Oktober 2005 doch noch ein historisches Datum für Europa geworden. Es wäre ein nicht heilbarer Schaden entstanden, wenn die 42 Jahre anhaltenden Bemühungen um eine Heranführung der Türkei an Europa am Vorabend des geplanten Verhandlungsbeginns gescheitert wären. Zum Glück hat Wien seinen schwer nachvollziehbaren Obstruktionskurs, von der CDU/CSU bezeichnenderweise als „politisch überzeugend und klug" bewertet, in letzter Minute zurückgezogen.

Nun ist der Weg frei für die Verhandlungen und damit zugleich auch für die Weiterführung der Reformen in der Türkei, die in vielen Bereichen noch viel politische Kraft erfordern werden. Es ist zu hoffen, dass der avisierte Zeitraum von mindestens 10 Jahren genutzt wird, um die Türkei Schritt für Schritt europafähig werden zu lassen. Wie in dem Beschluss vom 3. Oktober richtig festgestellt, muss dann aber auch Europa aufnahmefähig sein. Dies ist es heute eindeutig nicht, und es wird im Europa der 25 noch großer Anstrengungen bedürfen, die eigenen Defizite - hierbei sei nur an die aufgehaltene Verfassung erinnert - aufzuarbeiten. Der 3. Oktober lädt insofern der Türkei wie der EU große Aufgabenpakete auf die Schultern.

Sehr zu begrüßen ist auch der Beschluss, nun bald mit Kroatien Beitrittsverhandlungen aufzunehmen, nachdem Frau Del Ponte Kroatien letztendlich doch eine positive Kooperation mit dem Internationalen Gerichtshof bescheinigt hat. Die Verhandlungsaufnahme mit Kroatien belohnt nicht nur die Anstrengungen der letzten kroatischen Regierungen, das Land nach langer Stagnation europafähig gemacht zu haben, sondern ist auch ein wichtiges politisches Signal für die anderen Staaten des westlichen Balkans. Eine einseitige Verhandlungsaufnahme mit der Türkei bei gleichzeitiger Zurückweisung Kroatiens, das zweifellos weit mehr die Aufnahmebedingungen erfüllt als Ankara, wäre in keiner Hauptstadt der südosteuropäischen EU-Kandidatenländer verstanden und akzeptiert worden. Mit dem Kroatien-Beschluss wird diesen Ländern nun signalisiert, dass trotz der inneren Krise der EU der vorgesehene Erweiterungsprozess in Südosteuropa weitergeht und dass die diesbezüglichen Zusagen der EU von Thessaloniki eingehalten werden. Die friedenspolitische und stabilisierende Wirkung dieses Signals der Verlässlichkeit im Erweiterungsprozess sollte nicht unterschätzt werden.