Gernot Erler über die Iran-Erklärung der UN-Vetomächte, Interview im Deutschlandfunk vom 31. März 2006

Iran-Erklärung der UN-Vetomächte

"Die ganze Welt kann jetzt sehen, wer hier konstruktiv ist". Staatsminister Erler über die Iran-Erklärung der UN-Vetomächte 

Moderation: Friedbert Meurer

Der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Gernot Erler, hat die Erklärung des UNO-Sicherheitsrates zum iranischen Atomprogramm begrüßt. Eine weitere Eskalation des Konfliktes sei erfolgreich vermieden worden, sagte Erler im Deutschlandfunk. Entscheidend sei außerdem, dass es dem Iran nicht gelungen sei, die beteiligten Länder auseinander zu bringen.

Friedbert Meurer: In Berlin haben gestern die Außenminister der UNO-Vetomächte zusammen mit Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier den Konflikt um das Atomprogramm des Iran beraten. Tags zuvor hatte der UNO-Sicherheitsrat Teheran 30 Tage Zeit gegeben, die Anreicherung von Uran einzustellen. Aber was dann kommen soll bleibt offen. Was geschieht also, wenn der Iran nicht einlenkt, was sehr gut möglich zu sein scheint? Zu Sanktionen haben sich auch die Außenminister gestern in Berlin nicht geäußert. - Am Telefon begrüße ich den Staatsminister im Auswärtigen Amt und SPD-Bundestagsabgeordneten Gernot Erler. Das Echo auf die Außenministerkonferenz in Berlin ist etwas skeptisch, um es vorsichtig zu sagen. Worin sehen Sie den Erfolg des gestrigen Treffens?


Gernot Erler: Ich würde ja den Skeptikern gerne eine Frage stellen: Wäre es denn besser gewesen, wir wären näher heran an das Irakkrieg-Szenario gekommen, das nämlich mit Ultimaten, mit Drohungen und mit dem Hinweis auf die Gefährdung von Frieden begonnen hat und dann eine Eskalation produziert hat. Das ist vermieden worden und das ist letzten Endes ein gutes Ergebnis finde ich. Das Entscheidende ist, dass hier diese sechs Mächte beisammen geblieben sind, dass es auch jetzt dem Iran nicht gelungen ist, sie auseinander zu bringen, obwohl man ja genau weiß, dass sie unterschiedliche Auffassungen hatten. Immerhin hat es ja auch drei Wochen gedauert, bis sie sich verständigt haben. Das bedeutet aber, dass der Iran vor der Drohung steht, dass die ganze Welt sehen kann, wer hier eigentlich konstruktiv ist, wer eigentlich hier die Tür offen lässt und wer stur ist und sich auch verweigert. Das ist die Phase, die wir im Augenblick gerade haben.


Meurer: Wieso, Herr Erler, wollen Sie das militärische Szenario komplett ausschließen?


Erler: Ich glaube wirklich, dass wie so eine Art Menetekel hinter diesem ganzen Prozess hier die Erinnerung an 2002, 2003 steht, wo wir ja schon einmal eine solche Eskalation hatten, die eben dann in dem Irakkrieg geendet hat. Insofern glaube ich, dass man auch bei jeder Kritik das Bemühen sehen muss, eben ein solches Abrutschen in eine Situation, wo es ja keine Handlungsoptionen mehr gibt, zu vermeiden. Bisher finde ich machen das die Beteiligten, obwohl sie unterschiedliche Auffassungen haben, mit Erfolg.


Meurer: Aber ein Unterschied ist: Der Iran bastelt wirklich an der Bombe. Für wie groß halten Sie die Gefahr, die vom Iran ausgeht?


Erler: Dafür gibt es bisher keine Beweise. Das Problem ist: Der Iran hat 18 Jahre lang Programme gemacht, die er nicht, wie er es eigentlich hätte machen müssen, der IAEO in Wien, also der Internationalen Atomenergiebehörde, offen gemacht hat, die er nicht transparent gemacht hat, so dass wir gar nicht wissen, in welchem Status eigentlich seine Fähigkeiten sind. Die Hauptforderung ist ja, diese so genannte Suspension, also die Unterbrechung dieser Programme, jetzt vorzunehmen, um voll zusammen zu arbeiten mit Herrn el Baradei, um aufzuklären, was ist da eigentlich passiert, um das Vertrauen, was durch dieses Verhalten des Iran gebrochen worden ist, wieder herzustellen. Das ist ja eigentlich die Situation, aber niemand kann eben im Augenblick wegen dieser verdeckten Programme sagen, wie weit der Iran eigentlich ist, und das muss aufgeklärt werden.


Meurer: Befürworten Sie, Herr Erler, Sanktionen, wenn die 30 Tage vorbei sind und der Iran nichts tut?


Erler: Das ist ja schon eine Sanktion, die jetzt da ist, denn ich meine, es ist völlig klar, dass die Forderungen von der IAEO jetzt zusätzlich mit der Autorität der Weltgemeinschaft bekräftigt worden sind. Das ist bereits eine sehr deutliche Warnung, dass es jetzt hier nicht mehr nur um den Partner IAEO in Wien geht, sondern dass der jetzt handelt mit seinen klaren Forderungen im Auftrag und im Namen der ganzen Weltgemeinschaft, denn es ist ja der ganze Sicherheitsrat - es sind ja nicht nur die sechs Länder, die hier dahinter stecken. Das ist schon eine Art von Sanktion.


Meurer: Aber was ist daran eine Sanktion, wenn der Zeigefinger erhoben wird?


Erler: Ich sage noch mal: Es hat jetzt überhaupt keinen Sinn, eben schon konkrete Auskunft darüber zu geben, wie es weiter geht, und das jetzt klein zu reden, was jetzt gemacht worden ist. Eindeutig sieht die ganze Welt, wer hier konstruktiv ist und wer nicht. Und das ist in dieser Phase das, was erreichbar ist, auch gemeinsam.


Meurer: Wie sehr könnte eine andere Strategie zum Erfolg führen, nämlich statt Sanktionen sozusagen positive Maßnahmen zu versprechen, also die Sanktionen, die es ja noch nach der Botschaftsgeiselnahme gibt, aufzuheben?


Erler: Das steht ja oder besser liegt ja weiter auf dem Tisch. Am 5. August letzten Jahres haben ja die E3, also Großbritannien, Frankreich und Deutschland, ein schriftliches Angebot gemacht, was man auch als ein Lockangebot bezeichnen könnte. Da ist ja eine umfassende Zusammenarbeit in der zivilen Nutzung der Atomenergie, eine Kooperation im Bereich der Hochtechnologie bis hin zu einer Zusammenarbeit in Fragen von Sicherheit und eine Unterstützung der Idee einer atomwaffenfreien Zone im nahen Osten auf den Tisch gelegt worden. Das Schlimme ist, dass der Iran, ohne das überhaupt ernsthaft zu prüfen und ohne auch eine Bereitschaft zu zeigen, wenigstens mal über diesen Vorschlag zu reden und weiter zu verhandeln, fünf Tage später am 10. August seine ersten Aktivitäten im Bereich der Urankonversion wieder aufgenommen hat und das Angebot abgelehnt hat. Mehrfach haben die europäischen Staaten betont - und bei diesem Vorschlag haben sie die Unterstützung auch der anderen Vetomächte des Sicherheitsrates -, dass sie bereit sind, dort wieder anzufangen und über dieses Angebot weiter zu verhandeln.


Meurer: Ist damit die Idee mit dem Zuckerbrot gescheitert?


Erler: Wir hoffen alle, dass das nicht gescheitert ist, denn das wäre natürlich, wenn man es genau ausverhandelt und auch verbindlich macht, immer noch ein hervorragendes Angebot für den Iran, der ja nun schon seit 1979, zum Beispiel was Amerika angeht, unter Sanktionen zu leiden hat, der einen Zugang zu bestimmten Märkten überhaupt nicht findet und der eigentlich einen riesigen Bedarf an Modernisierung auch mit Hilfe von außen in seiner eigenen Gesellschaft hat. Wir glauben immer noch, dass das ein sehr attraktives Angebot ist. Übrigens gibt es auch durchaus Stimmen im Iran selber, wo wir letztlich eine pluralistische politische Landschaft haben, die bloß im Augenblick ziemlich stumm ist, da gibt es durchaus Kräfte, die das auch so sehen.


Meurer: In Berlin fühlt man sich ein bisschen geschmeichelt, dass die Konferenz gestern in Berlin stattgefunden hat. Kurz die Frage: Welche Rolle spielt eigentlich Deutschland?


Erler: Deutschland sitzt hier tatsächlich mit am Tisch durch die aktive Rolle, die die Bundesrepublik hier bei diesen so genannten E3-Verhandlungen mit dem Iran geführt haben. Insofern ist es eine interessante Konstellation, dass Deutschland hier mit gleicher Augenhöhe mit den fünf Vetomächten des Sicherheitsrates diese Verhandlungen und diese Gespräche führt. Das ist eigentlich eine sehr faire Geste gegenüber denen, die auch die Arbeit in der Vergangenheit gemacht haben.