Fortsetzung der Beteiligung deutscher Streitkräfte an der Friedensmission der Vereinten Nationen im Sudan (UNMIS) auf Grundlage der Resolution 663 (2006) des UN-Sicherheitsrates

33. Sitzung des Deutschen Bundestages, 7. April 2006: 

Gernot Erler, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am 24.März hat der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen die Verlängerung der Mission der Vereinten Nationen im Sudan, abgekürzt UNMIS, bis zum 24. September, also um ein halbes Jahr, beschlossen. Bereits am 22. März hat das Bundeskabinett beschlossen, die deutsche Beteiligung um den in der Resolution genannten Zeitraum zu verländern, und bittet jetzt um die Zustimmung des Bundestages. Weder der Sicherheitsrat noch die Bundesregierung haben irgendetwas an dem Mandat geändert, das der Deutsche Bundestag vor knapp einem Jahr erstmals zustimmend beschlossen hat. Worum geht es bei UNMIS? Im Januar2005 gelang es, den jahrelangen blutigen Bürgerkrieg im Sudan - zwischen dem Norden und dem Süden - mit dem Friedensvertrag von Nairobi zu beenden. Die Bilanz dieses Bürgerkriegs erschreckt noch heute: 2 Millionen Tote, 4 Millionen Vertriebene und eine enorme Zerstörung der Lebensgrundlagen dieser Menschen in diesem Land. Am 24. März 2005 hat der Sicherheitsrat den Beschluss gefasst, dieses auch „Comprehensive Peace Agreement" genannte Dokument von Nairobi mit einer Beobachter- und Schutzmission zu unterstützen, die teilweise nach Kap. VI und teilweise - was die Schutzaufgaben, auch bezüglich der Bevölkerung und der internationalen Helfer angeht - nach Kap. VII der UN-Charta agiert. Für diese Hilfe zur Umsetzung des Friedensvertrags sollten 10'000 bewaffnete Kräfte eingesetzt werden. Von denen sind im Augenblick 80 Prozent im Einsatz, das heißt, UNMIS ist immer noch im Aufbau begriffen. Wir erwarten, dass bis Sommer dieses Jahres tatsächlich 10'000 Mann eingesetzt werden können.


Liebe Kolleginnen und Kollegen, es hat bei der Umsetzung des Friedensvertrages von Nairobi durchaus sichtbare Fortschritte gegeben: Es gibt inzwischen eine Verfassung, nach der der Süden des Sudan eine Teilautonomie genießt, mit einer eigenen, regionalen Regierung. Es gibt eine Gesamtregierung der nationalen Einheit, die auch die Rebellen aus dem Süden - von der SPLM - einbindet. Mehrere der in dem Friedensvertrag vorgesehenen Kommissionen haben ihre Arbeit inzwischen aufgenommen. Die wichtigste ist wahrscheinlich die Nationale Petroleumkommission, die für die Verteilung des Reichtums zuständig ist. Die ungerechte Verteilung war einer der Kriegsgründe im Hintergrund der blutigen Auseinandersetzungen. Inzwischen hat auch die Internationale Kommission zur Überwachung des Friedensprozesses ihre Arbeit aufgenommen.


Die Situation vor Ort ist aber immer noch nicht stabil. Es gibt immer noch Misstrauen der verschiedenen Parteien untereinander, was zu einer Verzögerung bei der Implementierung des Friedensvertrages führt. Es gibt immer noch Übergriffe und Gewalt gegen die Bevölkerung, zum Beispiel von den Rebellen der LRA, der Lord's Resistance Army, die über die Grenze von Uganda agiert, und auch von kriminellen Gruppen, die die Bevölkerung attackieren. Mit anderen Worten: Eine Absicherung des Friedensvertrages ist weiterhin notwendig. Dabei geht es um die Aufgaben, die Truppen weiter zu entflechten, die Milizen zu entwaffnen und eine gemeinsame sudanesische Armee zu bilden. Es geht auch um Streitschlichtung. Schließlich geht es dort nach wie vor auch um die Verteilung der Öleinkünfte, um den Schutz der Bevölkerung und der internationalen Helfer sowie um die Bildung einer gemeinsamen Polizei.


Warum ist es so wichtig, dass die Umsetzung des Friedensvertrages von Nairobi weiterhin erfolgreich und ohne nennenswerte Verzögerung erfolgt? - Dies ist wichtig für die Menschen vor Ort, die unter dem Bürgerkrieg gelitten und erstmals eine Chance auf ein Ende der Gewalt, auf Frieden, auf Mitbeteiligung an den politischen Entscheidungsprozessen, auf Selbstbestimmung und auf einen fairen Anteil an den Einkünften aus dem Verkauf der Ölreserven haben. Dies ist auch wichtig, weil nach dem Nord-Süd-Ausgleich längst auch andere Teile des Landes Forderungen erheben. Wir sprechen inzwischen auch von einer Eastern Front. Dort drohen neue bewaffnete Auseinandersetzungen, wenn es nicht gelingt, diesen Nord-Süd-Konflikt auf Dauer und nachhaltig zu beenden.


Die Welt schaut außerdem nach wie vor mit großer Sorge auf die Situation in Darfur; das wissen wir alle. Sie ist immer noch dramatisch. Leider ist es den Kräften der Afrikanischen Union, der AMIS, dort noch nicht gelungen, die Menschenrechtsverletzungen auf Dauer zu beenden. Sie wissen, dass wir eine Diskussion darüber führen, ob diese Aufgabe nicht auch in die Verantwortung der Vereinten Nationen gegeben werden muss. Eine Entscheidung darüber steht möglicherweise im Herbst an. Eine Voraussetzung dafür wäre natürlich, dass UNMIS weiter besteht und erfolgreich ist.


Ich fasse zusammen: UNMIS wird gebraucht, um das Wiederaufflammen eines der blutigsten Bürgerkriege in Afrika auf Dauer zu verhindern. UNMIS wird gebraucht, um einen Friedensweg für den ganzen Sudan - inklusive für Darfur - zu eröffnen und den Störungen, die sowohl von innen als auch über die Grenzen von außen kommen, nachhaltig entgegenzutreten. UNMIS wird auch gebraucht, damit der Sudan ein Beispiel für eine unblutige, vertragsgestützte Streitbeilegung wird. Das ist ganz besonders in dieser Region wichtig, wo es in der Nachbarschaft noch eine ganze Reihe von anderen Konflikten gibt.


Insofern gibt es sehr gute Gründe, den deutschen Beitrag zu UNMIS aufrechtzuerhalten und dadurch mit dafür zu sorgen, dass UNMIS ein Erfolg wird. Dieser deutsche Beitrag besteht nach der Mandatsentscheidung in der Entsendung von bis zu 75 bewaffneten Kräften. Im Augenblick sind 28 entsandt, nämlich acht Stabsoffiziere und 20 Militärbeobachter.


Mit Blick auf diese friedenspolitische Aufgabe von UNMIS bittet die Bundesregierung den Deutschen Bundestag um die konstitutive Zustimmung zur Verlängerung des Mandates.


Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)