OSZE-Sonderbeauftragter Erler: Keine Rabatte für Russland

SWR 2 Tagesgespräch, 31. Dezember 2015 - Das Gespräch führte Marie Gediehn 

Baden-Baden: Der OSZE-Sonderbeauftragte der Bundesregierung, Gernot Erler (SPD), hält den Russland-Ukraine-Konflikt für eine der großen Herausforderungen für den deutschen OSZE-Vorsitz 2016. Erler sagte dem Südwestrundfunk (SWR), auch die Rolle Russlands in Syrien sei kein Grund, Moskau im Konflikt mit der Ukraine entgegenzukommen: „Da sind wir sehr entschieden, das nicht zu tun und auch nicht über Rabatte oder so etwas zu reden“. Erler sagte, man habe ja eine Art Fahrplan, das Minsker Abkommen vom Februar dieses Jahres. Das sei die Grundlage für den politischen Prozess, da habe sich Russland verpflichtet, genauso wie die Ukraine. „ Das wird eine große Herausforderung an die OSZE bleiben.“ Erler weiter: "Wir haben eben die große Hoffnung, dass wir mit der OSZE hier auch zu einer Wiederbeachtung der Prinzipien und Regeln und der Werte der OSZE kommen können, und zwar ganz besonders eben auch in einem Dialogprozess mit Moskau."  

Wortlaut des Live-Gesprächs:  

Gediehn: Herr Erler, diese etwas erstarrte Organisation aus dem Kalten Krieg noch, die sich seit zwölf Jahren auf keine politische Erklärung mehr einigen konnte, was kann denn diese OSZE, was zum Beispiel die NATO oder die EU oder gar die Vereinten Nationen nicht können?  

Gernot Erler: Erst einmal ist die OSZE die größte Sicherheitsorganisation, die wir auf der Welt haben, mit 57 Teilnehmerstaaten, darunter auch solche Schwergewichte wie die Vereinigten Staaten und die Russische Föderation. Und sie ist gerade jetzt eine wichtige Plattform für Dialog und Vermittlung, wo wir eine Reihe von internationalen Krisen haben. Und sie spielt vor allen Dingen eine wichtige Rolle in dem Versuch, aus dem Ukraine-Konflikt mit einer politischen Lösung herauszukommen. Hier hat die OSZE in den vergangenen Monaten auch Erhebliches geleistet, damit wir hier zu einem Ergebnis kommen.  

Gediehn: Es ist ja tatsächlich so: Die OSZE hat sich zunächst profiliert, als Vermittler, vor allem als Beobachter im Ukraine-Konflikt. Nun ist aber dieser Konflikt, Herr Erler, ja nach wie vor ungelöst. Auch weil OSZE-Beobachter vor allem in den von pro-russischen Rebellen kontrollierten Gebieten nicht frei agieren können. Soll sich das, und wenn ja, wie unter deutschem OSZE-Vorsitz ändern?  

Erler: Wir hoffen, dass das möglich ist. Auf jeden Fall kann man sagen, ohne die OSZE hätten wir weder genauere Kenntnisse über das, was in diesem Konflikt eigentlich vor Ort vorfällt. Und wir hätten auch nicht dieses Normandie-Format, das heißt, diese Zusammenarbeit zwischen Deutschland, Frankreich, der Ukraine und Russland, um immer wieder politische Anstöße zur Lösung dieses Konflikts zu geben, denn die Vorarbeit für diese Arbeit auf diplomatischer Ebene leisten die trilaterale Kontaktgruppe und die Arbeitsgruppen, die vier Arbeitsgruppen, die da unter der Vermittlung der OSZE in Minsk gebildet worden sind. Von dort kommen immer wieder die Vorbereitungen für politische Prozesse. Und da hat sich die OSZE richtig unverzichtbar gemacht.  

Gediehn: Ich würde das summieren unter einer Art Gesprächsforum. Trotzdem ist es aber so, Russland missachtet die grundlegenden Regeln der OSZE nach wie vor: Souveränität anderer Länder, Gewaltverzicht, Achtung der Grenzen. Das wird, prophezeie ich einmal, auch weiter so sein. Was tut dann Deutschland als OSZE-Vorsitz?  

Erler: Wir haben eben die große Hoffnung, dass wir mit der OSZE hier auch zu einer Wiederbeachtung der Prinzipien und Regeln und der Werte der OSZE kommen können, und zwar ganz besonders eben auch in einem Dialogprozess mit Moskau. Deswegen haben wir auch unser Motto so gestaltet. Das heißt: Dialog erneuern, Vertrauen wieder aufbauen und Sicherheit wieder herstellen. Also ein Dreisatz kann man sagen. Es fängt mit dem Dialog an. Der ist ja auf vielen Ebenen unterbrochen. Zum Beispiel gibt es keine Regierungskonsultationen mehr zwischen Deutschland und Russland, keine EU-Russland-Gipfelereignisse mehr. Es gibt nicht mehr die G8, sondern die ist zur G7 geworden. Also ohne Russland. Und auch der NATO-Russland-Rat funktioniert nicht, wie er in normalen Zeiten das tut. Und in dieser Situation ist die OSZE eine große Chance, erst einmal mit dem Dialog anzufangen, dann auf diese Weise zu versuchen, Vertrauen wieder herzustellen und am Ende eben mehr Sicherheit zu haben als bisher. Das ist unser Ziel.  

Gediehn: Das klingt, vorsichtig gesagt, sehr ambitioniert für zwölf Monate, denn es wird ja nun auch schon eine Weile geredet. Jetzt ist dazugekommen, dass die Weltöffentlichkeit inzwischen deutlich mehr nach Syrien als in Richtung Ukraine schaut. Und in Syrien brauchen wir, braucht man Russland als Partner. Muss Deutschland nicht auch aufpassen, dass nicht mit Werten wie Freiheit und Frieden gehandelt wird?  

Erler: Da sind wir sehr entschieden, das nicht zu tun. Und auch nicht über Rabatte oder so etwas zu reden, über das, wozu sich Russland in dem Ukraine-Konflikt verpflichtet hat. Wir haben ja hier eine Art Fahrplan. Der nennt sich Minsker Abkommen vom 12.02. dieses Jahres. Und das ist die Grundlage für diesen politischen Prozess. Da hat sich Russland verpflichtet, genauso wie die Ukraine, und gerade in diesen Tagen hat ja die Bundeskanzlerin noch einmal, vorgestern, mit Herrn Poroschenko und gestern eben in dem Rahmen des Normandie-Formats ein längeres Telefonat geführt, wo noch einmal bekräftigt wurde, dass das die Grundlage bleibt und dass man darauf bestehen muss, dass diese 13 Punkte des Minsker Abkommens auch tatsächlich umgesetzt werden. Das heißt, das wird uns die ganze Zeit begleiten, dieses Ringen darum, dass trotz der Ablenkung der Aufmerksamkeit auf Syrien eben in der Ukraine das so abläuft, wie es vereinbart worden ist. Und das wird eine große Herausforderung auch an die OSZE bleiben.  

Gediehn: Gernot Erler, der OSZE-Sonderbeauftragte der Bundesregierung im SWR-2-Tagesgespräch.  

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