Erler: Der Kreml erfüllt nicht alle Vereinbarungen


Interview im Donaukurier, 25. August .2015


Berlin (DK) Die Lösung der Ukraine-Krise kann nur politisch erfolgen, sagt Gernot Erler (SPD), Koordinator der Bundesregierung für die deutsch-russische Zusammenarbeit.

Herholz: Herr Erler, der ukrainische Präsident Petro Poroschenko hat in Berlin mit Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident François Hollande über den Konflikt mit Russland und die Krise beraten. Machen solche Treffen ohne Kreml-Chef Wladimir Putin überhaupt Sinn?

Gernot Erler: Der komplizierte Prozess der Umsetzung des Minsker Abkommens vom 12. Februar dauert jetzt schon mehr als sechs Monate an. Im Augenblick gibt es bei den Beratungen der Unterhändler in den Arbeitsgruppen einige Blockaden. In Kiew hat der schwierige Prozess der Umsetzung des politischen Teils des Minsker Abkommens begonnen. Der Besuch des ukrainischen Präsidenten in Berlin ausgerechnet am 24. Unabhängigkeitstag des Landes war ein wichtiges Zeichen. Das Treffen gibt einen neuen Anstoß für die weitere politische Umsetzung des Minsker Abkommens. Das Normandie-Format der Vierergruppe gemeinsam mit Russland ist aber nicht aufgegeben.

Herholz: Ist das Minsker Abkommen aber nicht eigentlich in großen Teilen gescheitert?

Erler: Die Umsetzung findet leider nicht vollständig statt. Es gibt weiter Kämpfe, aber nur an einigen Brennpunkten und nicht flächendeckend. Bedauerlicherweise gibt es nach wie vor in der Ukraine eine Debatte darüber, ob nicht doch eine militärische Lösung gesucht werden sollte. Aus unserer Sicht gibt es keine Alternative zu einer politischen Lösung des Konflikts.

Herholz: Was hat der ukrainische Präsident mit nach Kiew nehmen können?

Erler: Das Treffen hat vor allem dazu gedient, sich aus erster Hand von Präsident Poroschenko über die aktuelle Lage in der Ukraine zu informieren und das Signal zu geben, dass die Krise weiter auf der internationalen Tagesordnung steht. Die Umsetzung des politischen Teils des Minsker Abkommens muss weiter konsequent vorangetrieben werden. Poroschenko braucht hier die westliche Unterstützung, um die Reformen im eigenen Land gegen Widerstände durchzusetzen. Dort gibt es Kräfte, die das Minsker Abkommen nicht umsetzen wollen.

Herholz: Spielt die Zeit hier für Russland?

Erler: Russland muss ebenso wie die Ukraine Punkt für Punkt des Minsker Abkommens umsetzen. Moskau kritisiert Kiew, weil die Regierung dort die 13 Punkte von Minsk nicht umsetzen würde. Dabei erfüllt der Kreml selbst nicht alle Vereinbarungen.

Herholz: Der frühere ukrainische Präsident Krawtschuk schlägt eine Aufgabe der von prorussischen Separatisten besetzten Gebiete in der Ost-Ukraine vor. Wäre das eine Lösung des Konflikts?

Erler: Das war wohl eine Art Testballon des früheren Präsidenten. Es ist kaum vorstellbar, dass sich der amtierende Präsident Poroschenko sich bei den aktuellen politischen Kräfteverhältnissen in Kiew einen solchen Vorschlag zu eigen machen könnte.

 

Das Gespräch führte Andreas Herholz.

© Donaukurier