Wendet Moskau sich vom Westen ab?
RUSSLANDBEAUFTRAGTER IM GESPRÄCH Neue Osnabrücker Zeitung, 12. Juni 2015 Als Alternativen werden in Moskau nach den Worten von Erler unter anderem die G-20-Staatengruppe und die BRICS-Staaten genannt (BRICS steht für Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika). Außerdem verwies Erler auf die Schanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SCO), die Eurasische Wirtschaftsunion und die „chinesische Karte“. Er betonte: „Der Ausgang dieser Orientierungssuche erscheint offen.“ „Gefährlicher Härtetest“ Der SPD-Politiker warnte davor, Waffen an die Ukraine zu liefern und damit einem „Stellvertreterkrieg“ auf europäischem Boden die Tür zu öffnen. Deutschland unterstütze stattdessen die europäischen Bemühungen, eine politische Lösung des Konflikts mit Russland zu finden. Um diesem Ansatz Nachdruck zu verleihen, habe sich die EU auf ein stufenweises Sanktionsregime verständigt. Erler erläuterte, Russland habe, gerade auch wegen der für beide Seiten vorteilhaften Wirtschaftsbeziehungen mit Deutschland, nicht mit einer solchen Rolle Berlins gerechnet und sehe deshalb die bilateralen Beziehungen „in einem gefährlichen Härtetest“. Opposition als Feind eingestuft Alles Weitere hängt nach den Worten von Erler davon ab, ob Russland bis Ende des Jahres – bis dahin sollen die EU-Sanktionen verlängert werden – tatsächlich das von Präsident Wladimir Putin akzeptierte Minsker Maßnahmenpaket zur Beilegung des militärischen Konflikts im Osten der Ukraine Punkt für Punkt umsetzt. „Wir hoffen nachdrücklich darauf, dass das so passiert.“ Der Russlandbeauftragte beklagte ferner, Putin habe sich nach den Straßenprotesten gegen seine Wiederwahl 2011/2012 entschieden, die Opposition in Russland „nicht als Gesprächspartner, sondern als Feind zu behandeln“. Schon vor dem Ukraine-Konflikt hätten Prozesse der Marginalisierung und Kriminalisierung oppositioneller Bestrebungen das gesellschaftliche Klima bestimmt. In der gegenwärtigen Konfliktsituation würden kritische Stimmen als „Nationalverräter“ oder Anhänger einer „5. Kolonne“ noch weiter an den Rand gedrängt. Der Zivilgesellschaft werde weiterer Boden unter den Füßen weggezogen, etwa mit dem „Agentengesetz“ oder mit dem „Gesetz über unerwünschte Organisationen“. © Neue Osnabrücker Zeitung