Griechenland darf nicht ausscheren

 Interview in der Passauer Neue Presse, 09.04.2015

 

Interview: Andreas Herholz

Nach Tsipras’ Besuch in Moskau rät Gernot Erler (SPD), der Russlandbeauftragte der Bundesregierung, den Griechen, sich nicht vom Kreml instrumentalisieren zu lassen.

Andreas Herholz: Sie raten zu gelassener Beharrlichkeit, was den Besuch des griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras in Moskau angeht. Gilt das auch nach dem Treffen mit Russlands Präsident Wladimir Putin?

Gernot Erler: Ja. Es gibt keinen Grund zur Panik und Hysterie, was dieses Treffen angeht. Es ist das passiert, was zu erwarten war. Es ist über günstigere Gaspreise und eine engere Energiezusammenarbeit zwischen Russland und Griechenland gesprochen worden. Vor allem aber ging es um die Öffnung des russischen Marktes für griechische Lebensmittel-Produkte. Dieser Markt war zuletzt durch Gegensanktionen Moskaus und den Boykott russischer Agrarprodukte geschlossen. Für bestimmte griechische Lebensmittel scheint sich jetzt wieder die Tür zu öffnen. Hier muss es aber eine Gleichbehandlung mit den anderen europäischen Ländern geben.

Andreas Herholz: Das heißt, Sie fordern von der russischen Führung die Rücknahme des Boykotts europäischer Agrarprodukte?

Gernot Erler: Die Gegensanktionen von russischer Seite und der Boykott von Lebensmitteln aus der EU haben zu einer deutlichen Verschlechterung der sozialen Lage in Russland geführt. Die Preise für Lebensmittel haben sich um 30 Prozent erhöht und mit dazu beigetragen, dass die Inflation bei 16 Prozent liegt. Moskau sollte die Position der Gegensanktionen für alle europäischen Länder überdenken. Hier sollte es keine Ungleichbehandlung geben. Das ist jetzt eine Chance für Griechenland, vielleicht aber auch für andere Länder.

Andreas Herholz: Versucht Putin, die EU zu spalten und mit Hilfe Griechenlands die EU-Sanktionen auszuhebeln?

Gernot Erler: Von einem Preis für dieses russische Entgegenkommen ist mir bisher nichts bekannt. Wenn es griechische Zusagen geben würde, aus der gemeinsamen Position zu Sanktionen gegenüber Russland auszuscheren, wäre dies natürlich eine Herausforderung. Darauf gibt es allerdings keine Hinweise. Im Gegenteil: Die griechische Regierung hat versichert, sich nicht von Moskau instrumentalisieren zu lassen. Es wäre sehr klug von der Regierung in Athen, wenn es dabei bleiben würde.. Griechenland hat noch im März zugestimmt, dass die Zukunft der Sanktionen der EU gegen Russland von der Umsetzung des Minsker Maßnahmenpakets vom 12. Februar abhängig gemacht werden soll.

Andreas Herholz: Und wenn Athen am Ende dennoch eine Verlängerung der Sanktionen verhindern würde?

Gernot Erler: Dafür gibt es bisher keine Hinweise und auch keine derartigen Äußerungen. Es gibt Kritik an der Wirksamkeit der Sanktionen, aber nicht nur aus Griechenland. Wir haben immer gesagt, dass Sanktionen kein Selbstzweck sind. Aber Russland muss umsetzen, was es in Minsk unterschrieben hat. Immer wieder neue Forderungen nach deutschen Reparationszahlungen von griechischer Seite. Jetzt ist von 278 Milliarden Euro die Rede. Wie bewerten Sie dies?

Gernot Erler: Die Verbindung der griechischen Finanznöte mit solchen Reparationsforderungen ist höchst unglücklich und bringt uns nicht weiter. Diese Veröffentlichung der jüngsten Forderungen auf Basis der Kommissionsergebnisse in Athen hat uns wieder zurückgeworfen. In Berlin war schon eine "Zukunftsgruppe“ verabredet worden, die auch gemeinsame Projekte der Erinnerungskultur in Angriff nehmen soll. Das wäre eine gute Perspektive.


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