Am Ende ein "Ja, aber!"

Sondersitzung des Bundestages am 1. September. Antikriegstag. Ich musste leider eine Friedensveranstaltung in Villingen-Schwenningen deswegen absagen. Was der "Islamische Staat" in Syrien und im Nordirak gegen wehrlose Menschen macht, ist unerträglich. Waffen an die Kurden? Kann das helfen? Eins steht fest: Anders als im Ukrainekonflikt gibt es hier nicht einmal den Gedanken an eine Verhandlungslösung. Aber es steht auch ein Stück politischer Kultur in Deutschland - keine Waffen in Spannungs- und Kriegsgebiete - auf dem Spiel. Ich habe echt mit mir gerungen. Tatenlos zuschauen ist auch keine Alternative. Am Ende ein "Ja, aber!". Das "Aber" steht in einer Erklärung zur Abstimmung, die ich unterschrieben habe.

 

Erklärung nach §31 GO

Wir sehen mit großer Sorge die Verschärfung der sicherheitspolitischen und der humanitären Lage insbesondere im Norden des Iraks. Nach neuesten Zahlen der Vereinten Nationen sind mittlerweile über 1,7 Millionen Menschen auf der Flucht, davon ca. 1 Million im Gebiet der kurdischen Regionalregierung.

Wir begrüßen ausdrücklich, die umfängliche humanitäre Nothilfe der Bundesregierung für die Flüchtlinge, die unter schwierigsten Bedingungen ihre Heimat verlassen mussten und zum Teil nur ihr Leben retten konnten. Es ist wichtig, dass die Bundesregierung mit ca. 50 Millionen Euro diese Menschen unterstützt und eine weitere substantielle Aufstockung dieser Mittel in Aussicht gestellt hat. Wir unterstreichen die bereits im Entschließungsantrag angesprochene Notwendigkeit, dass  Deutschland und seine europäischen Partner großzügig bei der Aufnahme von Flüchtlingen sein sollen.

Die Bundesregierung hat nach einem verantwortungsvollen Abwägungsprozess über die humanitäre Hilfe hinaus beschlossen, auch Waffen zur Verteidigung gegen die militärisch überlegenen Truppen der ISIS in Absprache mit der Zentralregierung in Bagdad und in Abstimmung mit Deutschlands Partnern an die kurdische Regionalregierung zu liefern. Wir betrachten die Lieferung von Waffen mit großer Skepsis, da sie möglicherweise zu einem späteren Zeitpunkt in einem innerirakischen Konflikt zwischen den drei großen Volksgruppen zum Einsatz gebracht werden könnten oder an andere Gruppen missbräuchlich gelangen könnten. Allerdings anerkennen wir auch, dass die Bundesregierung die Augen vor diesen potentiellen Gefahren nicht verschließt, sondern bei ihren Entscheidungen einbezogen hat und entsprechende Maßnahmen (u.a. Endverbleibsregelung mit der kurdischen Regionalregierung) getroffen hat.

Die Bundesregierung hat aufgrund einer außergewöhnlichen außen- und sicherheitspolitischen Lage eine Einzelentscheidung getroffen. Es handelt sich hierbei nicht um einen Paradigmenwechsel. Die Grundsätze der deutschen Rüstungsexportpolitik, keine Waffen in Spannungsgebiete zu liefern, bleiben der Eckpfeiler deutscher Exportpolitik.

Trotz unserer großen Skepsis gegenüber diesen Waffenlieferungen anerkennen wir, dass der Schwerpunkt deutscher und internationaler Politik auf der politischen Regelung des Konfliktes im Irak liegt. Es ist unserer Ansicht nach wesentlich, dass der designierte irakische Ministerpräsident eine Regierung bilden will, in denen alle großen Volksgruppen des Iraks repräsentiert sind. Dies würde auch die Chance erheblich vergrößern, dass die sunnitischen Stämme, die sich aufgrund der politischen Diskriminierung durch die Vorgängerregierung Maliki der ISIS angeschlossen haben, sich wieder von ISIS abwenden und ihr die Unterstützung entziehen. Die Bundesregierung muss diesen politischen Prozess gemeinsam mit ihren Partnern aktiv unterstützen.

Wichtig ist darüberhinaus, dass auch wirtschaftliche und finanzielle Maßnahmen – wie in der Resolution des UN-Sicherheitsrates vom 15.8.2014 aufgeführt - gegen ISIS und ihre Unterstützer umgesetzt werden.

Darüber hinaus ist wesentlich, dass eine politische Strategie für die Region des Nahen und Mittleren Ostens gemeinsam mit den Regierungen vor Ort aufgesetzt wird. Deutschland will hierzu auch im Rahmen seines G7-Vorsitzes weitere Initiativen starten, was wir ausdrücklich unterstützen.

Nach Abwägung all dieser Umstände stimmen wir dem vorgelegten Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen zu, wenngleich wir weiterhin sehr skeptisch gegenüber den beschlossenen Waffenlieferungen bleiben.