Blick auf die Reaktion der Swing-States

Erstes TV-Duell zwischen Barack Obama und Mitt Romney

Gernot Erler im Gespräch mit Doris Simon, Deutschlandfunk, 4. Oktober 2012

Nicht arrogant, aber dennoch angespannt und müde wirkte US-Präsident Barack Obama im ersten TV-Duell gegen seinen Herausforderer Mitt Romney auch für SPD-Außenpolitiker Gernot Erler. "Aber ich würde doch bezweifeln, dass das ein sogenannter Game Changer ist."

Doris Simon: "Wenn du Romney magst, dann magst du ihn nach der Debatte immer noch. Und wenn du für Obama warst, dann magst du ihn wahrscheinlich dann auch noch." Aussagen eines amerikanischen Fernsehzuschauers nach der Fernsehdebatte heute Nacht. Die können ja, das weiß man, spätestens seit dem legendären TV-Duell zwischen John. F. Kennedy und Richard Nixon Präsidentenwahlen durchaus entscheiden. Damit es aber genau so nicht kommt, werden die Kandidaten seither minutiös auf ihre Auftritte vorbereitet. Da wird lange geübt, wie man wie zu reagieren hat und wie man wie zu gucken hat, damit man bloß nicht herablassend oder besserwisserisch herüberkommt. Und geschminkt sind sowieso alle. Das war auch diese Nacht wieder so, beim ersten Fernsehduell zwischen Präsident Barack Obama und Mitt Romney, dem Präsidentschaftskandidaten der Republikaner.

- Am Telefon ist jetzt der SPD-Bundestagsabgeordnete und frühere Staatsminister im Auswärtigen Amt, Gernot Erler. Guten Tag!

Gernot Erler: Guten Morgen, Frau Simon.

Simon: Herr Erler, Sie haben sich die Fernsehdebatte angeschaut zur US-Präsidentenwahl. Wie überzeugend fanden Sie denn die beiden Kandidaten?

Erler: Ich fand, sie waren beide sehr gut vorbereitet. Sie haben aber das Publikum auch traktiert mit sehr vielen Zahlen, mit Einzelheiten, zum Teil verwirrenden Tatbeständen. Und insofern war vielleicht die Vorbereitung ein Killer für jede Spontanität. Spontanes habe ich gar nicht gesehen.

Simon: Wer war denn wo aus Ihrer Sicht stark?

Erler: Auf jeden Fall war Mitt Romney angriffslustiger als Obama, der mir ein bisschen defensiv vorkam. Und das schlägt sich ja auch in den ersten Umfragen nieder. 67 Prozent der Amerikaner - es sind allerdings bloß wenige über 400 gefragt worden -, die das Duell gesehen haben, sagen, Romney sei besser herübergekommen. Und nur 25 Prozent tippen da auf Obama.

Simon: Und das würden Sie auch so unterschreiben?

Erler: Ja, mir kam auch vor, dass Romney seine Chance, anzugreifen, auf jeden Fall genutzt hat. Er hat auch mehrfach widersprochen dem Präsidenten, wenn der sich kritisch zu Romneys Plänen geäußert hat. Und der Moderator, muss ich sagen, der hat alles laufen lassen. Jim Lehrer, der allerdings auch schon 78 Jahre alt ist, der hat praktisch überhaupt nicht eingegriffen, sodass er auch nicht kritisch mal rückgefragt hat, wenn die beiden etwas versprochen oder erklärt haben.

Simon: Für Sie als deutschen Außenpolitiker gab es da überraschende Momente. Oder war das alles so im Rahmen dessen, was Sie eh erwartet hatten?

Erler: Nein, große Überraschungen habe ich nicht gehört, zumal Außenpolitik auch so gut wie gar nicht vorkam. Das ist auch geplant gewesen. Erst am 22.10. bei dem letzten Zusammentreffen der beiden soll es über Außenpolitik gehen. Das Einzige, was da war, war, dass Obama eben auf seine Erfolge mit Beendigung der beiden Kriege im Irak und Afghanistan, wo der Rückzug eingeleitet ist, hingewiesen hat und natürlich auch auf seine Erfolge gegen El Kaida.

Simon: Obama - Sie sagten es - wirkte etwas zurückgenommen. Ihm wird ja öfter mal vorgeworfen, er kommt arrogant herüber. Wie war das in dieser Nacht?

Erler: Nein, arrogant nicht. Aber ich muss zustimmen, dass er angespannt wirkte und müde. Und dass Romney dagegen angriffslustig und auch stärker im Duell sozusagen gekommen ist. Insofern kann ich das ein bisschen nachvollziehen, wie das gesehen wird in der amerikanischen Öffentlichkeit, vor allen Dingen bei den Kommentatoren. Die sagen alle, das war ein Punktsieg für Romney. Aber ich würde doch bezweifeln, dass das ein sogenannter Game Changer ist, wie man das nennt. Also ein Ergebnis, das tatsächlich die Kräfteverhältnisse umkehrt. Es wird noch abzuwarten sein, ob Obamas Vorsprung in den sogenannten Battleground States, also in den Swing-Staaten, wo knappe Mehrheiten darüber entscheiden, wer alle Wahlmänner kriegt, ob es tatsächlich dort eine Änderung gibt.

Simon: Ließ sich eigentlich aus dieser ersten Debatte, Herr Erler, Ihrer Meinung nach absehen, auf wen sich die beiden vor allem gerichtet haben, wen sie vor allem versuchen, da umzustimmen, einzufangen?

Erler: Ja, das war ganz eindeutig. Die Adresse war die amerikanische Mittelschicht, die natürlich sehr breit ist und über die es auch verschiedene Definitionen gibt. Aber das Wort Mittelstand, Mittelschicht kam ununterbrochen vor und eben mit natürlich sehr unterschiedlichen Zungenschlägen. Obama hat es meines Erachtens nicht geschafft, den Millionär Romney da in die Ecke zu treiben und zu sagen, er macht eine Politik eher für die Reichen und will die Steuer entlasten. Während doch Romney sehr stark versucht hat, Regulierungen durch den Staat und die Steuerpolitik von Obama und seine Politik der Defizitkürzung als feindlich und schlecht für den Mittelstand darzustellen.

Simon: Hatten Sie den Eindruck, dass Obama da von seinen Beratern sozusagen an die Kette gelegt worden ist, dieses doch sich von selbst bietende Ziel eines Millionärs, der ja auch mit Entlassungen Geld verdient hat, nicht auszuschlachten?

Erler: Na ja, ich meine, er war in einer insofern schlechteren Situation. Er ist der Präsident und es wird ganz komisch aufgenommen, wenn ein Präsident zu hart mit dem Kontrahenten, mit dem Herausforderer, umgeht. Und das haben ihm seine Berater bestimmt auch gesagt, verlier nicht die Nerven, bleib ruhig und sachlich im Ton. Das hat er gemacht. Insofern hat eben Romney seinen Spielraum als Herausforderer besser nutzen können. Vielleicht hätte man sich doch gewünscht an der einen oder anderen Stelle, dass Obama stärker zurückgeschlagen hätte.

Simon: Wenn Sie auf Du mit dem Präsidenten wären, würden Sie ihm das raten?

Erler: Ja. Ich würde sagen, er hat eine gute Gelegenheit noch. Er trifft noch zweimal, eben am 16. und 22. Oktober, auf seinen Herausforderer. Das erste Mal ist das mit Bürgerfragen, aber ich denke, gerade in der Außenpolitik - da gibt es ja auch ein paar Auftritte von Romney, die nun wirklich verunglückt sind - könnte es sein, dass die ganze Sache sich wendet. Aber alle werden jetzt erst mal scharf gucken, ob eben diese Debatte, diese erste und an sich die entscheidende, weil sie auch noch in gehörigem Abstand zu dem Wahltag ist, ob die tatsächlich sich in den Umfragen vor allen Dingen in einzelnen Bundesstaaten niederschlägt.

Simon: Die Einschätzung des Außenpolitikers und SPD-Bundestagsabgeordneten Gernot Erler nach der Fernsehdebatte zwischen US-Präsident Obama und seinem republikanischen Herausforderer Mitt Romney. Vielen Dank, Herr Erler.

Erler: Gerne!

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