SPD hofft auf Bewegung im Syrien-Konflikt

Gernot Erler im SWR 2 Tagesgespräch, 26. Juni 2012

Baden-Baden: Der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Gernot Erler hofft auf Bewegung im Syrien-Konflikt im Zusammenhang mit dem Kampfjet-Abschuss. Russland und China könnten sich der Tatsache nicht mehr verschließen, dass der inner-syrische Konflikt auf die ganze Region überzugreifen drohe. Daran aber könne auch Moskau kein Interesse haben, sagte Erler im SÜDWESTRUNDFUNK (SWR). Es sei bereits das zweite Mal, dass Syrien mit Gewalt gegen die Türkei vorgehe. Insofern sei die Anrufung des Nato-Rates ein Signal, dass sich die Türkei ein solches Vorgehen nicht länger bieten lassen wolle.

Wortlaut des Live-Gesprächs:

Hackländer: Der Abschuss eines türkischen Kampfjets durch das syrische Militär hat bereits gestern die EU-Außenminister empört. Heute befasst sich der NATO-Rat mit dem Thema. Ein Umstand, der für sich allein genommen schon Aufsehen erregt, weil das Treffen nur knapp unterhalb der Stufe angesiedelt ist, mit dem der Bündnisfall ausgerufen werden kann. Ist der Vorfall tatsächlich so gravierend für die Sicherheit und Stabilität der Türkei und der ganzen Region?

Erler: Ich glaube, dass hier die türkische Regierung ein Zeichen setzen möchte, denn es ist nicht das erste Mal, dass es jetzt zu einer schwierigen Situation zwischen Syrien und der Türkei gekommen ist. Vor etwa einem Monat wurde geschossen über die Grenze hinweg, Flüchtlingen hinterher, auch mit Todesopfern. Das war auch schon eine Verletzung internationalen Rechts und es sieht sehr so aus, dass bei diesem Abschuss dieses Kampfflugzeugs auch zumindest unverhältnismäßig Gewalt angewendet worden ist. Und die Anrufung des NATO-Rats ist natürlich eine sehr, sehr starke Geste, die Syrien auch ein Signal setzen soll, dass die Türkei nicht gewillt ist, sich das gefallen zu lassen, was im Augenblick dort in der Region passiert.

Hackländer: Spielt es denn ein Rolle, was der türkische Kampfjet vor und im syrischen Luftraum zu suchen hatte, oder ist das bei der Beurteilung vollkommen zweitrangig?

Erler: Nein, das ist natürlich wichtig. Und ich denke, dass heute die Türkei auch verpflichtet ist, dem NATO-Rat gegenüber klare Auskunft zu geben, wie denn das Ganze zustande gekommen ist. Wobei ja schon zugestanden wird, dass es eine kurzzeitige Verletzung des syrischen Luftraums gegeben hat. Aber nach internationalen Gepflogenheiten versucht man dann, sich zu kontaktieren und herauszubekommen, was denn der Grund dieses Überfliegens ist. Und man schießt nicht gleich sofort Flugzeuge ab, zumal der Abschuss möglicherweise bereits wieder über internationalen Gewässern stattgefunden hat.

Hackländer: Die Türkei unterstützt die syrischen Rebellen, gewährt ihnen Asyl und beliefert bzw. duldet die Waffenlieferungen an die Rebellen. Ist diese Art der Parteinahme Grund für die aktuelle Eskalation und damit eben auch gefährlich?

Erler: Na ja, das wäre tatsächlich dann nochmal eine schwierigere Situation, wenn tatsächlich das Flugzeug als türkisches erkannt wurde und dann abgeschossen worden ist. Bisher hören wir aus Damaskus, das Ganze sei ein Missverständnis gewesen und man hätte nicht gewusst, welcher Nationalität das Flugzeug ist. Das kann man auch nicht ganz ausschließen, dass dieses tief fliegende Flugzeug nicht von der Nationalität her erkannt worden ist, dass man aber eben in Damaskus nervös ist, weil es ja auch von einer ganz anderen Seite herkommen könnte. Und es gibt ja auch desertierte Piloten, die auch zum Teil mit ihren Maschinen ins Ausland fliegen. Also, da kann es schon stimmen, dass es nicht so gewesen ist, dass Damaskus wusste, wer da fliegt.

Hackländer: Trotzdem aber die Frage: die Art der Parteinahmen eben, Waffenlieferungen an syrische Rebellen, fällt das im Grunde zurück auf die Türkei. Kann das der Grund sein, warum es jetzt zu einer Eskalation kommt?

Erler: Ich glaube das eher nicht. Das würde ja bedeuten, dass ganz bewusst die Luftwaffe von Syrien ein türkisches Flugzeug abgeschossen hat. Ich bin geneigt zu glauben die Versicherung, dass man es nicht wusste und dass man sich eben bedroht fühlte. Und vielleicht dass es auch wirklich ein Versehen war. Ich hoffe das, denn sonst wäre das eine bewusste Eskalation des Konflikts, eigentlich etwas, woran Syrien kein Interesse haben kann.

Hackländer: Was kann der Westen jetzt tun, um eine Destabilisierung der Region zu verhindern? Bisher hat ja eigentlich nichts gefruchtet, weder UNO-Resolution noch EU-Sanktionen, solange Russland und China nicht mitziehen.

Erler: Das ist ja auch wieder die Frage, wie dieser Vorgang jetzt auf diese Schutzmächte wirkt, also besonders auf Russland und auf China. Denn ich glaube, Moskau wird auch erkennen müssen, dass hier eine Eskalation dieses Konflikts in die Region hinein stattfindet. Wir haben diese vielen Flüchtlinge, wir haben mindestens 200-tausend Binnenflüchtlinge, aber auch allein 30-tausend syrische Flüchtlinge im Augenblick schon in der Türkei. Und das werden immer mehr. Völlig klaglos bewältigt die Türkei dieses Problem bisher. Aber wir haben eben diese Übergriffe auf Nachbarländer jetzt schon zum zweiten Mal in Richtung Türkei. Und insofern ist eine Regionalisierung des Konflikts nicht mehr ausgeschlossen. Und das müsste eigentlich auch Alarmglocken in Moskau auslösen, denn daran kann Russland überhaupt kein Interesse haben.

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