Erler: Raketenschild - wir müssen weiterhin das Gespräch mit Moskau suchen

Interview im Inforadio RBB am 21. Mai 2012

Seit Sonntag tagt die NATO in Chicago, der Heimatstadt von US-Präsident Barack Obama. Die 28 Mitgliedstaaten wollen über den Abzug aus Afghanistan und die Hilfe für das Land nach dem Ende des Kampfeinsatzes 2014 beraten.

Daneben ging es um den Aufbau eines Raketenabwehrsystems in Europa, die gemeinsame Finanzierung großer Rüstungsprojekte und nukleare Abrüstung. Das Stichwort heißt hier "Smart Defense": Sparen und trotzdem gemeinsam große Projekte finanzieren. Dazu gehört auch der geplante Raketen-Abwehrschild. Die erste Stufe wurde inzwischen in Dienst gestellt- trotz der Kritik aus Russland.

Dazu wurde ein Radarsystem in der Türkei mit einem US-Kreuzer im Mittelmeer vernetzt. Gesteuert wird die Abwehr vom Nato-Gefechtsstand Ramstein in Rheinland-Pfalz.

Bei dem Gipfeltreffen der Militärallianz in Chicago sagte NATO-Generalsekretär Rasmussen, das System sei nun vorläufig einsatzbereit. Zugleich umwarb er Russland, den Dauer-Streit über den Raketenschild beizulegen.

Der stellvertretende SPD-Fraktionschef Gernot Erler rief die NATO dazu auf, weiter das Gespräch mit der Regierung in Moskau zu suchen und deutlich zu machen, dass das Abwehrsystem keine Bedrohung sei. Erler sagte im Gespräch mit Irina Grabowski, es könne nicht sein, dass sich durch den Schild die Sicherheitslage hierzulande verschlechtere.

"Denn Deutschland ist von Anfang an mit dabei; in Ramstein ist die Kommandozentrale für das Raketensystem, das heißt: Wir sind mittendrin."

Es handele sich nach wie vor um eine sehr umstrittene Angelegenheit, betonte der SPD-Fraktionsvize weiter. Dadurch, dass das System nun in Betrieb genommen wurde, stehe eine neue politische Auseinandersetzung mit Russland bevor, so Erler.

Startschuss für "kluges Sparen"

Die neue Kooperation nennt die NATO "Smart Defense", schlaue Verteidigung. Denn schließlich, so NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen, gehe es darum, gemeinsam das zu entwickeln und zu kaufen, was man alleine nicht mehr finanzieren kann.

"Das ist ein ganz neues Geschäftsmodell für die NATO", sagte Rasmussen. Das sei ein Weg, mit den finanziellen Folgen der Schuldenkrise fertig zu werden.

Insgesamt haben die Staats- und Regierungschefs mehr als 20 Projekte mit dem Etikett "Smart Defense" abgesegnet. "Wir sind hier, um zu liefern", sagte US-Präsident Barack Obama. Die NATO werde insgesamt neu belebt, so wie man das beim vergangenen Gipfel in Lissabon im Jahr 2010 beschlossen habe. NATO-Diplomaten sagten in Chicago, bei vielen Projekten werde man einen sehr langen Atem brauchen.

Man werde auch nicht wirklich Geld einsparen, sondern künftig nur das Geld, was zur Verfügung steht, intelligenter ausgeben. Die USA wollen ihren Verteidigungshaushalt in den nächsten zehn Jahren um 490 Milliarden US-Dollar zurückfahren. In Europa werden die Haushalte bestenfalls stagnieren, so die Prognosen der NATO.