Russland nicht mehr ganz so "einheitlich"

Zum Ausgang der Dumawahlen in Russland erklärt Gernot Erler, Stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion:

Auch wenn der Name Wladimir Putin gar nicht auf dem Wahlzettel stand, so viel steht fest: Die Zeiten, in denen sich der ehemalige und künftige Präsident Russlands Zustimmungsraten von 70 Prozent und mehr sicher sein konnte, sind vorbei.

Der Rückgang des Wahlergebnisses von "Einheitliches Russland" auf ca. 50 Prozent der Wählerstimmen ist auch Ausdruck einer gewissen Normalisierung der politischen Zustände in Russland. Die wachsende Unzufriedenheit der russischen Gesellschaft mit der wirtschaftlichen und politischen Situation hatte sich bereits in den letzten Monaten angedeutet. Die Menschen sind nicht mehr allein dadurch zufrieden zu stellen, wenn ihnen pünktlich das Gehalt oder die Rente überwiesen wird. Sie erwarten inzwischen mehr von der politischen Elite ihres Landes.

Darin liegt zugleich Chance und Risiko für die nächste Amtszeit Wladimir Putins, wenn er im März erwartungsgemäß in das Amt des russischen Präsidenten gewählt wird. Er muss den Nachweis erbringen, dass er die dringend erforderliche Modernisierung des Landes voranbringen kann. Gelingt es ihm nicht, Russlands einseitige Abhängigkeit von Rohstoffexporten zu verringern und die Wirtschaft seines Landes zu diversifizieren, stehen ihm schwere Zeiten ins Haus.

Dies ist auch für den Westen der Anknüpfungspunkt: Russlands Wirtschaft und Gesellschaft zu modernisieren, ist in unserem ureigensten Interesse. Dazu braucht es in Moskau aber Partner, die bereit sind, diese Aufgabe ernsthaft anzugehen. Aber auch bei uns geht es darum, alte Denkblockaden zu überwinden.

Ein erster Schritt, der uns nicht überfordert und zugleich signalisieren würde, dass Russland nach Europa gehört, wäre eine Vereinfachung des Visaverfahrens mit dem Ziel der Visaabschaffung. Wer ein modernes und weltoffenes Russland einfordert, darf nicht selber die Beschränkungen, die nach wie vor im Reiseverkehr bestehen, aufrecht erhalten.

05. Dezember 2011