Ungarns neue Verfassung: Ban Ki Moon ist besorgt - Merkel und Westerwelle schweigen

Pressemitteilung, 18. April 2011

Zur heutigen Verabschiedung der neuen ungarischen Verfassung erklärt der Stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion Gernot Erler:

Während die Völker Nordafrikas und der arabischen Welt sich Tag für Tag unter enormen Risiken mehr Freiheiten und demokratische Rechte erkämpfen, wird mitten in Europa versucht, die Entwicklung genau in die entgegengesetzte Richtung zu wenden.

Selbst UN-Generalsekretär Ban Ki Moon zeigt sich zutiefst besorgt. Vermutlich ist es das erste Mal, dass sich ein UN-Generalsekretär so deutlich zur Entwicklung in einem EU-Mitgliedsland äußert. Doch weder von Bundeskanzlerin Merkel noch von Außenminister Westerwelle ist bislang ein Wort der Kritik zu hören.

Mit der Verabschiedung der neuen ungarischen Verfassung durch das Budapester Parlament hat sich Ungarn endgültig aus der Vorreiterrolle der mittel- und osteuropäischen Staaten verabschiedet, die das Land vor gut zwanzig Jahren beim Fall des Eisernen Vorhangs in Europa innehatte.

Viktor Orbáns „nationale Revolution" ist rückwärtsgewandt. Sie atmet den Geist vorvergangener Jahrhunderte, als Ungarn noch Monarchie war und die Magyaren ein deutlich größeres Territorium beherrschten als das Ungarn in den heutigen Grenzen.

Die neue Verfassung vertritt den Anspruch, alle Ungarn unabhängig von ihrem Wohnort in gleicher Weise zu vertreten. Also auch diejenigen, die in den Nachbarländern Rumänien, Serbien, Slowakei oder der Ukraine seit Generationen leben und arbeiten. Damit legt sie den Grundstein für künftige Spannungen im Verhältnis Ungarns zu seinen unmittelbaren Nachbarn.

Nicht weniger skandalös ist auch die neue Verfassungsbestimmung, nach der zukünftige wichtige Gesetzesänderungen nur mit einer Zweidrittelmehrheit wieder geändert werden können. Damit sind auf lange Sicht anderen politischen Kräften in Ungarn die Hände gebunden.

Zu alldem schweigt die Bundesregierung. Dass Außenminister Westerwelle in diesen Tagen erneut Ägypten besucht, um dort seine Unterstützung für demokratische Reformen zu bekunden, ist grundsätzlich nicht zu beanstanden. Vielleicht wäre ein Besuch in Budapest, wo man gerade dabei ist, die vor 20 Jahren erkämpften demokratischen Rechte wieder zu begraben, dringlicher gewesen.