Affäre Guttenberg: Bundeswehrreform droht gegen die Wand zu fahren – und die Kanzlerin schaut zu

Pressemitteilung, 28. Februar 2010

Zu den Auswirkungen der Plagiatsaffäre um Verteidigungsminister zu Guttenberg auf die anstehende Bundeswehrreform erklärt der Stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion Gernot Erler:

Die Meldungen sind höchst alarmierend. Aus der Bundeswehr häufen sich besorgte Stimmen, die ein Scheitern der hoch ambitionierten Bundeswehrreform befürchten. Sogar Angehörige der beiden Bundeswehruniversitäten und der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg sind fassungslos über das Gebaren ihres obersten Dienstherren in der Plagiatsaffäre und die Lässigkeit der Bundeskanzlerin im Umgang mit ihr.

Als wäre die Bundeswehrreform nicht schon Herausforderung genug für einen Minister, der sich dieser Aufgabe voll und ganz stellen kann, leistet sich die Bundeskanzlerin einen Verteidigungsminister, dessen Verbleib im Amt lediglich den drei anstehenden Landtagswahlen im März geschuldet ist.

Doch der Scherbenhaufen, den sein Nachfolger zusammenkehren muss, wächst von Tag zu Tag. Es ist geradezu grotesk, mit welcher Missachtung die Bundeskanzlerin angesichts der dramatischen Herausforderungen eine Institution wie die Bundeswehr kopf- und führungslos gegen die Wand fahren lässt. Eine solche Leichtfertigkeit und Gleichgültigkeit gegenüber einer Institution, die seit nunmehr 56 Jahren fest in der deutschen Gesellschaft verankert ist, ist einmalig.

Bereits der Ansatz, die Bundeswehr zum Sparschwein der Haushaltspolitik zu machen, ist ein grober handwerklicher Fehler. Zuerst über drastische Einsparungen zu entscheiden und sich dann zu wundern, dass die Bundeswehr ihre Aufgaben nicht erledigen kann, ist stümperhaft. Schon jetzt zeichnet sich ab, dass die völlig unrealistischen Einsparvorgaben der nächsten Bundesregierung vor die Füße gekippt werden sollen. Offenbar geht Frau Merkel inzwischen auch davon aus, dass sie dann nicht mehr die politische Verantwortung dafür tragen wird.

Richtig wäre es, zuerst die Aufgaben festzulegen, die die Bundeswehr erfüllen soll. Und danach müsste entschieden werden, welche Ausbildung und Ausstattung die Soldaten dafür benötigen. In einem weiteren Schritt müsste festgelegt werden, wie man ohne die Wehrpflicht das Personal für diese Aufgaben bekommen kann. Und anschließend müsste der entsprechende Finanzbedarf für diese Aufgaben und für diese Nachwuchsgewinnung festgelegt werden.

Selbst Merkels Experten im Kanzleramt haben den Sprengsatz Bundeswehrreform erkannt und warnen ausdrücklich vor der Unausgegorenheit der Guttenbergschen Vorschläge. Sie sehen bislang "nur eine sehr rudimentäre und unausgewogene Grundlage für Entscheidungen zur Reform der Bundeswehr" und vermissen eine "als zwingend erachtete sicherheitspolitische Herleitung". Auch Aussagen über strategische Ziele fehlten bislang.

Man fragt sich bei alldem, wie die Bundeskanzlerin angesichts der täglich wachsenden Kritik sowohl in Bezug auf die Herangehensweise an die Bundeswehrreform als auch im Hinblick auf das katastrophale Krisenmanagement in der Plagiatsaffäre ihre Hände weiterhin in den Schoß legen kann und meint, das Problem aussitzen zu können.

Frau Merkel, tun Sie dem Land und der Bundeswehr einen Gefallen und gönnen Sie dem Verteidigungsminister eine Auszeit. Jede weitere Verzögerung dieses längst überfälligen Schritts wird die Bewältigung der Herkulesaufgabe Bundeswehrreform weiter erschweren.