Es gibt nur Verlierer

Kurz vor dem Jahrestag hat Russland seine Truppen in Südossetien in erhöhte Gefechtsbereitschaft versetzt. Der Freiburger Bundestagsabgeordnete und Staatsminister im Auswärtigen Amt, Gernot Erler (SPD), schaut mit Sorge auf diese Region. Michael Neubauer sprach mit ihm. Interview in der Badischen Zeitung, 6. August 2009

 
BZ: Wie groß ist die Gefahr neuer Gewalt?


Erler: Ich bin sehr besorgt über die wechselseitigen Provokationen. Die EU ermahnte bereits Russland und Georgien, sich bei diesem schwierigen Gedenktag zurückzuhalten. Einzelne Zwischenfälle können wir nicht ausschließen. Aber niemand rechnet damit, dass es zu ernsthaften militärischen Handlungen kommt. Es wird eher verbal gezündelt.

BZ: Warum tut sich die Staatengemeinschaft bis heute schwer, die Hauptschuldigen in diesem Konflikt zu benennen?

Erler: Diese Nacht vom 7. auf den 8. August fiel ja in eine Phase ständiger Gewalt mit verschiedenen Schuldigen. Wenn man nur auf den Moment des Beginns von Kampfhandlungen schaut, gilt heute als sicher, dass die ersten Schritte von Georgiens Präsident gemacht wurden. Genauso sicher ist, dass die Reaktion der russischen Seite, fast zwei Drittel Georgiens zu besetzen, nicht angemessen war.

BZ: Wie belastet ist durch den Konflikt noch das Verhältnis zwischen der Nato und Russland?

Erler: Erfreulich ist, dass die Zusammenarbeit im Rahmen des Nato-Russland-Rates wieder aufgenommen wurde. Man hat sich fest vorgenommen, diese Kooperation nicht einseitig abhängig zu machen von dem russischen Verhalten in dem ungelösten Georgienkonflikt.


BZ: Welche Bilanz ziehen Sie heute?

Erler: Es gibt nur Verlierer in dem Konflikt. Russland ist durch die Anerkennung Abchasiens und Südossetiens in völlige politische Isolierung geraten. Georgiens Wirtschaftswachstum ist eingebrochen, die Integration in EU und Nato wurde verlangsamt. Positives Licht fällt auf die EU, die es damals eindrucksvoll schaffte, den Krieg zu beenden und heute als Mittler und Beobachter eine zentrale Rolle spielt.