Iran langfristig als Partner gewinnen
Interview im Tagesspiegel, 25. Juni 2009
Die Staatengemeinschaft solle eine geschlossene Haltung bewahren: Außenstaatsminister Gernot Erler (SPD) über das Verhältnis zu Teheran in Zeiten der Krise.
Frage: Herr Staatsminister, die Machthaber in Teheran gehen mit Gewalt gegen Demonstranten vor, die die Wahlfälschung nicht hinnehmen wollen. Warum unterstützt die Bundesregierung den Freiheitswillen nicht stärker, indem sie härter gegenüber dem Regime in Teheran reagiert?
Gernot Erler: Die Bundesregierung hat drei Punkte deutlich gemacht: Die Zweifel an der Wahl müssen in einem transparenten Verfahren ausgeräumt werden. Die Gewalt gegen friedliche Demonstranten muss unterbunden werden. Und wir nehmen es auch nicht hin, dass Iran die freie Berichterstattung über die Proteste einschränkt. Das akzeptiert weder die Weltöffentlichkeit noch die Bundesregierung. Das haben wir gegenüber Iran auch klipp und klar gesagt.
Frage: Der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Günter Nooke (CDU), wirft dem Westen Leisetreterei gegenüber Iran vor. Hat er da nicht recht?
Erler: Es hilft überhaupt nichts, nun in einen Überbietungswettbewerb der Empörung gegenüber Iran einzutreten. Dies würde dem Regime in Teheran doch erst recht ermöglichen, die Protestbewegung als eine Macht zu diskreditieren, die vom Westen aus gesteuert ist. Das würde der Sache der Demonstranten eher schaden als nutzen. Wir müssen auch darauf achten, dass die Staatengemeinschaft eine geschlossene Haltung zu den Vorgängen in Teheran bewahrt. Sonst kann das Regime einzelne Regierungen als Einmischer in die inneren Angelegenheiten Irans anprangern.
Frage: Zeigt das Beispiel Südafrikas und die Abschaffung der Apartheid nicht, dass Isolation ein wirksames Interventionsmittel sein kann?
Erler: Die Situation heute in Iran ist mit der Südafrikas während der Apartheid nicht zu vergleichen. Was Iran angeht, ist es im Moment das Wichtigste, alles zu tun, was zu einer Deeskalation beiträgt. Langfristig aber müssen wir Iran als Partner gewinnen, wenn wir Fortschritte im Nahostkonflikt erzielen wollen. Wir müssen Iran zum Verzicht auf ein nukleares Waffenprogramm bewegen, bevor das Land zu einem unbekannten Zeitpunkt über eine eigene Atombombe verfügt.
Frage: Also wird weiter mit dem Regime verhandelt?
Erler: Es gibt keine realistische Alternative dazu, als mit Iran weiter zu verhandeln und es von den Vorteilen kooperativen Verhaltens zu überzeugen. Wer das unterlässt, verstößt massiv gegen unsere eigenen Sicherheitsinteressen. Das iranische Atomprogramm ist eine reale Bedrohung für die Region und auch für uns Deutsche.
Frage: Deutsche Firmen machen weiter Geschäfte mit Iran. Warum unterbindet die Bundesregierung dies nicht?
Erler: Deutsche Unternehmer verweisen uns gegenüber zu Recht darauf, dass die deutschen Exportkontrollen schärfer sind und die Praxis der Bürgschaftspolitik zögerlicher ist als in vergleichbaren Ländern. Wir haben an die Unternehmen appelliert, die Wirtschaftsbeziehungen mit Iran freiwillig zu reduzieren. Das ist auch geschehen. Das Volumen des deutschen Iran-Handels ist in den vergangenen Jahren deutlich zurückgegangen.
Frage: Wall Street Journal wirft Siemens vor, sie habe Technologie zur Überwachung des Internets an das Regime geliefert. Ist es keine Aufgabe der Bundesregierung, solche Geschäfte zu verhindern?
Erler: Was den Artikel in der Washington Times betrifft, handelt es sich offenbar um Produkte, die nicht der Ausfuhrkontrolle, die sich nach internationalen Vereinbarungen richtet, unterliegen. Dennoch werden wir der Sache selbstverständlich nachgehen und an unserer restriktiven Rüstungsexportpolitik festhalten.
Gernot Erler (SPD) ist Staatsminister im Auswärtigen Amt.
Die Fragen stellte Hans Monath.