Erler im Interview zur Östlichen Partnerschaft der EU

Streit im Vorfeld des Gipfels 

Interview mit der Mitteldeutschen Zeitung vom 06. Mai 2009

Der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Gernot Erler (SPD), sieht in der "Östlichen Partnerschaft" der EU mit Armenien, Aserbaidschan, Georgien, Moldawien, der Ukraine und Weißrussland keine Bedrohung für Russland.

MZ (Sibylle Quenett): Herr Erler, wie sinnvoll ist eine "Östliche Partnerschaft" der EU mit Staaten, die, wie etwa Georgien, die Ukraine, oder Weißrussland nicht wirklich über demokratisch gefestigte Strukturen verfügen? 

GERNOT ERLER: Es geht um das Engagement dieser Staaten für eine Entwicklung, die zu europäischen Normen und Werten führt. Ziel ist eine Stabilisierung in der unmittelbaren östlichen Nachbarschaft in der EU. Das liegt auch besonders in deutschem Interesse.

MZ: In Georgien soll gerade jetzt ein Militärputsch enttarnt worden sein, hinter dem angeblich Russland stand. Das ist kein Hinderungsgrund für eine engere Anbindung?

ERLER: Wir sind ja noch nicht auf dem Weg zu einer Mitgliedschaft in der EU. Es soll die bisherige europäische Nachbarschaftspolitik für diese sechs Staaten intensiviert werden. Wir werden prüfen, ob eine Freihandelszone eingerichtet werden kann. Aus Sicht der betroffenen Staaten ist auch das Thema Visafreiheit sehr populär. Wir werden sehen, ob und wie weit wir Schritte in diese Richtung unternehmen können. Das sind Maßnahmen, welche die sechs Staaten auch untereinander stärker zusammenarbeiten lassen. Unser Interesse ist es natürlich auch, dass das Verhältnis zu Russland oder der Türkei verbessert wird.

MZ: Wann könnten Visafreiheit oder Freihandel umgesetzt werden? Gibt es Zeitpläne, oder handelt es sich nur um Absichtserklärungen?

ERLER: Ich bin vorsichtig mit Zeitplänen. Aber es gibt Assoziierungsabkommen, ein Vorbild könnte das schon bestehende Abkommen mit der Ukraine sein. Das wäre auch für die anderen fünf Staaten denkbar. In diesen Assoziierungsabkommen sind die Schritte auch genau festgelegt. Aber es wäre kontraproduktiv, sich jetzt schon auf Zeitpunkte festzulegen.

MZ: Wie groß ist die Gefahr, dass Russland sich in seiner Einflusszone bedroht sieht?

ERLER: Das ist tatsächlich eine Entwicklung, die wir im Auge behalten müssen. Bisher war Russland in keiner Weise von der europäischen Nachbarschaftspolitik negativ berührt. Wir sind deshalb auch ein wenig überrascht, dass man die "Östliche Partnerschaft" jetzt als Versuch wertet, im geopolitischen Umfeld von Russland Einfluss zu nehmen. Das könnte damit zusammenhängen, dass sich vor allem Polen und Schweden für diese Partnerschaft eingesetzt haben. Beide Länder hatten zuletzt zu Russland ein eher gespanntes Verhältnis. Aber jetzt handelt es sich um eine EU-Strategie, die in keiner Weise gegen Moskau gerichtet ist. Es ist sogar eine sektorale Zusammenarbeit zwischen Russland und der "Östlichen Partnerschaft" vorgesehen. Wir sind sicher, dass wir Moskau von diesen guten Absichten überzeugen können.