SWR2 Tagesgespräch: Gernot Erler im Gespräch mit Josef Karcher

Neue Phase in den transatlantischen Beziehungen zwischen Deutschland und den USA

Baden-Baden, 4. Februar 2009: Die Bundesregierung sieht guten Chancen für einen Neuanfang in den transatlantischen Beziehungen. Nach dem Treffen der beiden Außenminister Frank-Walter Steinmeier und Hillary Clinton sagte der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Gernot Erler, im Südwestrundfunk (SWR), es habe eine neue Phase in den Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und Deutschland begonnen. Man wolle in der internationalen Politik gemeinsame Ziele verfolgen. Es gehe um neue Ansätze in der Abrüstungspolitik und um eine bessere Zusammenarbeit in Energiefragen und beim Klimaschutz, erklärte der SPD-Politiker.

Beim umstrittenen Thema einer stärkeren Unterstützung des US-Einsatzes in Afghanistan verwies Erler darauf, dass Deutschland bereits sehr viel leiste. Berlin habe die Zahl der Soldaten aufgestockt und sei jetzt der drittgrößte Truppensteller. Auch die Mittel für zivile Investitionen in Afghanistan seien erhöht worden. Erler wörtlich: „Da zeigt es sich, dass Deutschland ein guter Partner von Amerika in Afghanistan ist." Der Staatsminister fügte hinzu, dass sich die Bundesrepublik auch für eine Stabilisierung im Irak einsetzen werde.Außenminister Steinmeier werde noch in diesem Monat nach Bagdad reisen, auch dies sei ein wichtiges Signal für die USA.

Karcher: Außenminister Steinmeier, Ihr Chef, ist schon wieder auf dem Rückflug von Washington nach Berlin. Zwei Stunden hat er gesprochen mit seiner neuen Amtskollegin Hillary Clinton. Was hat dieser Kurzbesuch gebracht - mehr als nur Nettigkeiten?

Erler: Also, ich denke, das war eine große Chance, als erstes Regierungsmitglied eines westlichen Staates hier in Washington so ein intensives Gespräch zu führen. Und der deutsche Außenminister wollte das nutzen, um auszuloten, welche Chancen es gibt, um zu etwas zu kommen, was wir gerne die neue transatlantische Agenda nennen. Das heißt also, eine neue Phase in den transatlantischen Beziehungen, die Beziehungen zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten, um vor allen Dingen gemeinsame Ziele in der internationale Politik zu verfolgen: zum Beispiel neue Ansätze bei der Abrüstungspolitik zu machen, eine Zusammenarbeit im Energie- und Klimabereich zu verbessern. Und natürlich sind ist auch über die internationalen Konflikte, die regionalen Konflikte, sehr intensiv gesprochen worden.

Karcher: Darüber wollen wir auch ein bisschen sprechen jetzt. Steinmeier hat ja gesagt, mit der neuen US-Regierung werde vieles einfacher, anders und besser. Wo genau wird es denn besser. Im Grundsätzlichen nur oder auch ganz konkret?

Erler: Also, zum Beispiel, wie ambitioniert Abrüstungsagenda, die Steinmeier entwickelt hat und heute auch in der Süddeutschen Zeitung veröffentlicht hat, die trifft auf offenere Ohren in den Vereinigten Staaten. Also, wir wollen einfach, dass die Nonproliferation, die Nichtweiterverbreitung, gestärkt wird. Da ist im nächsten Jahr eine wichtige Überprüfungskonferenz und wir sind davon überzeugt, dass das nur klappt, wenn auch jetzt Signale der Atommächte gegeben werden, weiter abzurüsten. Wir brauchen einen neuen Vertrag, eine Fortsetzung des bisherigen Vertrages, über strategische Rüstungsbegrenzung, den Staatsvertrag. Wir bräuchten eigentlich die amerikanische Ratifikation des Atomteststopps und eben auch einen Vertrag über den Stopp der Herstellung von waffenfähigem Spaltmaterial mit diesem Fachkürzel FMCT. Und das sind so Dinge, die Steinmeier mit im Gepäck hatte, jetzt in Washington.

Karcher: Sehen Sie auch Punkte, wo es schwierig bleibt oder gar zu Reibungen kommen wird. Stichwort Afghanistan, wo sich die Amerikaner ja mehr Unterstützung wünschen?

Erler: Ich denke, wir alle wissen, wie wichtig es ist, in Afghanistan zu einem Erfolg zu kommen. Was nicht nur von der westlichen Seite abhängt, was auch abhängt von der Qualität der Regierungsführung vor Ort. Aber es ist richtig, dass der amerikanische Präsident angekündigt hat, hier noch die Anstrengung zu verstärken. Das kann man sehen daran, dass wir das richtig finden, dass wir das selber ja auch schon getan haben. Es hat ja im Herbst Beschlüsse des Deutschen Bundestages gegeben, zum Beispiel den militärischen Einsatz zu verstärken, mit einer Obergrenze jetzt bei der wichtigen ISAF-Mission von 4.500 Mann. Aber auch in diesem Jahr, für dieses Haushaltsjahr 2009, die Mittel für zivile Investitionen zu erhöhen, wo wir jetzt bei über 170 Millionen Euro für dieses Jahr liegen. Nachdem das noch vor wenigen Jahren etwa bei 80 Millionen Euro lag. Also, da zeigt sich ja, dass Deutschland auch bereit ist, hier guter Partner von Amerika in Afghanistan zu sein.

Karcher: Aber wenn die Amerikaner konkret fragen, kann dann die Bundesregierung zusätzlich noch was leisten?

Erler: Ich denke, dass schon ein Argument sein muss und auch ein gutes Argument ist, dass wir vor wenigen Monaten hier eine Aufstockung vorgenommen haben und inzwischen drittgrößter Truppensteller in Afghanistan sind. Und ich denke, gerade diese amerikanische Regierung hat ein gutes Bewusstsein dafür, dass es eben nicht nur auf militärische Stärke ankommt, sondern eben auch auf Konzepte, auf wirksame Konzepte, auf wirksame Strategien und dazu braucht man natürlich auch den sichtbaren Fortschritt in der Infrastruktur, in dem Wiederaufbau. Das ist für die Zustimmung in Afghanistan zu dieser Regierung, zu der neuen Regierung und zu der westlichen Hilfe ganz dringlich.

Karcher: Lassen Sie uns von Afghanistan mal in den Irak gehen. Außenminister Steinmeier plant ja einen Besuch in Bagdad noch in diesem Monat. Ist dies auch ein Angebot an die USA?

Erler: Darüber ist natürlich auch intensiv gesprochen worden, denn ich glaube, dass das für Amerika ein wichtiges Signal ist, dass Deutschland sich jetzt in dieser Phase beteiligen will, an einer Stabilisierung des Irak. Und wenn Steinmeier, der deutsche Außenminister, in den Irak fährt, dann wird er im Gepäck auch konkrete Angebote haben, etwas zu tun. Und zwar zum Beispiel im Bereich der Gesundheitsvorsorge, im Bereich der Bildung. Da fühlen wir uns in der Lage, auch im Irak zur Stabilisierung beizutragen. Und ich glaube, dass so ein Angebot in Amerika sehr willkommen ist.

Karcher: Täuscht eigentlich der Eindruck, dass die Bundeskanzlerin etwas zurückhaltender ist als der Außenminister, wenn es um die neue US-Regierung geht - und noch eher abwartet

Erler: Ja, das ist nicht besonders überraschend, dass jetzt die politische Ausrichtung von Obama, der Demokrat ist, während der klassische Partner der CDU in Amerika die Republikaner sind, jetzt nicht unbedingt der Wunschsieger der CDU und auch natürlich nicht der Kanzlerin ist. Aber ich bin ganz sicher, dass die Bundesregierung insgesamt diese Chance einer neuen Agenda, also einer neuen guten Form von Zusammenarbeit wahrnehmen wird. Wenn zum Beispiel jetzt die Ergebnisse der Reise des deutschen Außenministers positiv sind, wird sich natürlich der Koalitionspartner dem nicht verschließen.