Mehr Afghanistan-Engagement international willkommen

Gernot Erler zum Verlauf der Münchner Sicherheitskonferenz, Interview im Deutschlandfunk, 9. Februar 2009  

Der Staatsminister des Auswärtigen Amtes, Gernot Erler, hat sich zufrieden mit den Ergebnissen der Münchner Sicherheitskonferenz gezeigt. Vor allem die Erklärung der USA, künftig stärker auf die Bündnispartner eingehen zu wollen, sei ein positives Signal. Die damit einhergehenden höheren Erwartungen der US-Regierung werde die Bundesrepublik erfüllen, erklärte der SPD-Politiker.

Bettina Klein: "Die gute Nachricht ist: Amerika wird mehr tun. Die schlechte Nachricht: Amerika wird genauso auch mehr von seinen Partnern verlangen." Good News and bad News, verkündet von US-Vizepräsident Joe Biden am Samstag bei der Münchener Sicherheitskonferenz. Von der Aussage und dem Ton im Grundsatz wohl ungefähr das, was erwartet war. Die Vereinigten Staaten suchen unter der neuen Regierung das Gespräch mit den Partnern und unter bestimmten Bedingungen auch das mit den Gegnern, aber sie ermahnen zum Beispiel die Europäer auch, dass mehr Verantwortung von allen zu tragen sein wird. - Über diese neuen Perspektiven wollen wir jetzt sprechen mit Gernot Erler (SPD), Staatsminister im Auswärtigen Amt, den ich am Telefon begrüße. Guten Morgen, Herr Erler!

Gernot Erler: Guten Morgen, Frau Klein.

Klein: Sie waren in München dabei. Zunächst mal: was war für sie der stärkste Eindruck, den Sie mitgenommen haben?

Erler: Der Höhepunkt war zweifellos die Rede des Vizepräsidenten, denn alle sind sehr gespannt: wie wird sich diese neue amerikanische Administration jetzt verhalten? Wird das tatsächlich umgesetzt, was Obama in mehreren Reden angekündigt hat? Das war ein starker Auftritt des Vizepräsidenten.

Klein: Inwiefern stark?

Erler: Stark, weil er tatsächlich die Hand ausgestreckt hat und gesagt hat, wir werden uns anders verhalten als bisher, wir werden ganz stark auf unsere Bündnispartner zurückkommen, wir können nichts mehr alleine lösen und wir wollen auch zuhören, ja wir brauchen sogar eueren Rat. Das hat schon Eindruck gemacht.

Klein: Ich habe es gerade angedeutet: mehr Erwartungen werden sich allerdings auch an die Partner richten. Kann Deutschland diese Erwartungen erfüllen?

Erler: Ich glaube ja, denn erstens müssen wir da gar nicht lange Wege gehen, weil wir in der Vergangenheit schon zum Beispiel in Afghanistan einen sehr großen Anteil übernommen haben - sowohl was den militärischen, aber auch, was bei dieser Konferenz eine wichtige Rolle gespielt hat, in dieser Kombination von militärischen und zivilen Anstrengungen übernommen haben. Insofern sind wir da gut aufgestellt.

Klein: Ja, sie sind gut aufgestellt, aber es geht offenbar darum, mehr zu tun. Also in welcher Hinsicht können Sie Amerika versprechen, wir werden uns mehr engagieren, in Afghanistan zum Beispiel?

Erler: Verteidigungsminister Jung hat hier schon gesagt, dass wir durchaus bereit sind, noch einmal nachzulegen in dem Bereich der Ausbildung von Polizei und von Soldaten. Das ist ja sowieso einer der Schwerpunkte des deutschen Engagements. Das ist sehr positiv aufgenommen worden, weil alle wissen, in Afghanistan geht es ja nicht darum, sich auf Dauer einzurichten, sondern vor allen Dingen dafür zu sorgen, dass diese gewählte Regierung, diese neue Gesellschaft sich selber verteidigen kann. Und das geht nur, wenn mehr Soldaten gut ausgebildet sind, mehr Polizei einsatzfähig ist, und dazu hat in der Vergangenheit Deutschland schon viel beigetragen. Wenn wir da noch mehr machen können und sollen, dann ist das international sehr willkommen.

Klein: Das ist bisher noch ein bisschen allgemein, Herr Erler. Wenn Sie sagen "nachlegen", von welchen Größenordnungen und von welchen Zeiträumen sprechen Sie?

Erler: Dazu muss man sagen, dass in München über solche Einzelheiten überhaupt nicht gesprochen worden ist. Allgemein ist gesagt worden, dass das Engagement verstärkt werden muss, und wie gesagt, die Deutschen Bereitschaftserklärungen, hier noch mal vielleicht mehr zu machen, sind begrüßt worden, aber niemand hat auch sonst sich irgendwie festgelegt.

Klein: Ich verstehe Sie richtig, auch in der Bundesregierung gibt es noch keine konkreten Überlegungen, was das angeht?

Erler: Nein.

Klein: Die Forderung nach mehr Soldaten, halten Sie die für vom Tisch?

Erler: Sie ist sicher nicht vom Tisch, wenn man das ganze Bündnis anschaut. Auch von der militärischen Seite, etwa von General Petraeus, ist noch mal deutlich gesagt worden, dass man mehr Soldaten braucht, und wir wissen ja, dass auch Obama konkret darüber nachdenkt und sich darauf vorbereitet, gerade auch Soldaten, die aus dem Irak abgezogen werden, nun nach Afghanistan zu schicken. Aber auch hier ist es bei der allgemeinen Versicherung, dass das notwendig ist, geblieben.

Klein: Ein anderer Schwerpunkt, Herr Erler, bei der Sicherheitskonferenz: das Verhältnis zum Iran. Joe Biden sagt, wir sind gewillt, mit dem Iran zu sprechen. Auf der anderen Seite ist die Rede - und das hat auch die Bundeskanzlerin angesprochen -, härtere Sanktionen als Möglichkeit bleiben in jedem Falle im Raum stehen. Ist das jetzt ein Politikwechsel, oder ist das eigentlich die bisherige Strategie?

Erler: Nein. Das ist ja bisher auch gerade schon von den Europäern entwickelt worden, das was wir "dubble track Approach" nennen, das heißt also auf der einen Seite ein sehr attraktives Angebot zur Zusammenarbeit, zur technologischen Zusammenarbeit, auch zur Zusammenarbeit im Bereich der Sicherheit in der Region zu machen, auf der anderen Seite zu sagen, wir werden eben eine nukleare Fähigkeit im Iran nicht akzeptieren können und deswegen dann auch, wenn das nicht vorangeht, hier mit Sanktionen drohen. Dieser Ansatz ist beibehalten worden. Das Neue ist nur, dass eben Joe Biden noch einmal Worte, die Obama schon benutzt hat, wiederholt hat, nämlich dass insgesamt das Verhältnis zur islamischen Welt neu ausgerichtet werden soll auf dieser Basis - mutuo respect - gegenseitige Interessenwahrung, aber eben auch füreinander Respekt haben von beiden Seiten her. Das hat er noch mal wörtlich wiederholt und eben noch mal seine Gesprächsbereitschaft auf der, sage ich mal, Ebene von gleicher Augenhöhe zu führen zwischen Amerika und Iran. Das ist immerhin von dem iranischen Parlamentssprecher, Parlamentspräsidenten Laridschani, doch positiv aufgenommen worden. Er hat sogar das Wort "goldene Chance" benutzt, was diese Gesprächsbereitschaft angeht. Also wer genau hingehört hat und mal die ganzen sehr polemischen Äußerungen auch von Laridschani bei Seite genommen hat, der hat hier eigentlich ein Stück Hoffnung mitnehmen können von München.

Klein: Danach wollte ich gerade fragen, Herr Erler, denn von Laridschani kamen ja in München nicht wirklich nur versöhnliche Töne. Er hat auch ganz klar gesagt, Freundlichkeit alleine reicht nicht aus. Hat sich denn tatsächlich etwas verändert am Verhältnis zwischen dem Iran und dem Westen, was das Klima angeht?

Erler: Das Schwierige in München war, dass Laridschani eben die ganze Reihe von Vorwürfen, von seiner Betrachtung des israelisch-palästinensischen Konfliktes bis hin zur Holocaust-Frage, hier in eher provokatorischer Weise abgehandelt hat, so dass dann im Grunde genommen ein bisschen die Zwischentöne untergegangen sind und zumindest jedenfalls nicht so in den Vordergrund traten. Aber die sind, glaube ich, die wichtigsten und die besagen eben zwei Punkte: Einmal, dass man durchaus das als eine neue Chance ansieht, dass Amerika so gesprächsbereit ist, wie das Joe Biden noch mal ausgedrückt hat, aber auch die Andeutung - und das ist ein technisch nicht ganz unwichtiger Fall -, dass man das doch als ein interessantes Angebot empfindet, eine Anreicherungs- und Wiederaufbereitungsanlage unter internationaler Kontrolle auch mit der IAEO in Betracht zu ziehen. Das ist ja ein Vorschlag, der ursprünglich mal von Frank-Walter Steinmeier gemacht worden ist, der immer noch vielleicht die beste Lösung dafür wäre, dass immer mehr Länder Atomtechnologie versuchen zu beherrschen und da eben diese Proliferationsgefahr, das heißt eben auch die Nutzung für andere Zwecke (zum Beispiel für Waffen), möglicherweise anders gar nicht beantwortet werden kann.

Klein: Abschließend, Herr Erler, mit Bitte um eine kurze Einschätzung. Die Neuigkeit von gestern: Bei den Präsidentschaftswahlen im Iran wird der Reformer Khatami antreten. Inwieweit für Sie ein Signal der Hoffnung?

Erler: Ja, durchaus, weil um Khatami können sich schon diejenigen, die enttäuscht sind von Ahmadinedschad - und das bezieht sich ja ganz besonders auch auf seine Wirtschaftspolitik -, sammeln und wir haben ja unsere Erfahrungen mit Khatami gemacht. Bei ihm war vor allen Dingen eher das Problem der Zustimmung im Inneren. Man muss sehen, was dabei herauskommt, aber das wäre natürlich ein Gesprächspartner, der vielleicht andere Töne anschlägt als Ahmadinedschad.

Klein: Gernot Erler (SPD), Staatsminister im Auswärtigen Amt, heute Morgen im Gespräch mit dem Deutschlandfunk. Danke Ihnen, Herr Erler, für das Gespräch.